Initiative Kultur Passage Bremen – Ein Haus für den Tanz [Beitrag im Weser-Kurier]

"Eine Initiative will Tanzeinrichtungen und deren Schlagkraft bündeln. Im Gespräch ist ein Ausbau der Schwankhalle in der Neustadt zur Schaffung einer neuen (und barrierefreien) Spielfläche.

| Bremen
Zu Gast im TAFI | 15.3.2019

Ein Beitrag von Hendrik Werner im Weser-Kurier am 15. März 2019

 

“Mit einem ambitionierten Projekt sind am Freitag Vertreter der hiesigen freien Tanzszene an die Öffentlichkeit gegangen: Bei einem Pressegespräch im Deutschen Tanzfilminstitut Bremen stellten sie Pläne für ein Tanzhaus in der Stadt vor, das unter dem Namen „Kultur Passage Bremen“ die Arbeit verschiedener Institutionen und Akteure bündeln soll. Im Gespräch für den Standort ist die Neustadt, genauer: Erweiterungsbauten für die Schwankhalle.

Mit 3600 Quadratmetern bezifferten die drei Initiatoren – Tanzfilminstitut, step dance project und tanzbar_bremen – den Raumbedarf. In Rede stehen sowohl Anbauten und Aufstockungen. Gedacht ist zum einen an einen Nutzflächenausbau gemeinschaftlich genutzter Räume, darunter Säle, Foyer, Backstagebereiche, Gästewohnung sowie Proben- und Lagerräume, von derzeit 1300 auf gut 2500 Quadratmeter.

Der Hauptzuwachs an Fläche soll sich aus einer zusätzlichen barrierefreien Bühne (samt tanzspezifischer Ausstattung), diese „umgebende Betriebsflächen“ und „vergrößerte Probebühnen“ ergeben, heißt es in einem Entwurf, den die Leiterin des Deutschen Tanzfilminstituts, Heide-Marie Härtel, steptext-dance-project-Leiter Helge Letonja und Günther Grollitsch, künstlerischer Leiter des inklusiven Kollektivs tanzbar_bremen, gemeinsam vorstellten.

Wert legten sie auf die Feststellung, dass besagte Schwankhallen-Option nur und immerhin einen „beispielhaften Standort“ betreffe, dessen Eignung erst durch eine Machbarkeitsstudie verbindlich zu ergründen sei. Die Kosten für einen etwaigen Umbau der Schwankhalle bezifferte der Städteplaner und Architekt Jürgen Koch mit 14 bis 18 Millionen Euro. Die Personalkosten eines Tanzhauses als Bestandteil einer „Kultur Passage Bremen“, darunter Posten wie Betriebsbüro, Hausmeister und Reinigung, veranschlagt das Entwurfspapier auf 180.000 Euro pro Jahr; nicht eingerechnet sind eventuelle Mietkosten.

 

“Das neue Tanztheater ist nicht in Wuppertal, sondern in Bremen erfunden worden.” Tanzfilminstitutsleiterin Heide-Marie Härtel

 

Der Zeitplan zur Realisierung des Projekts ist ehrgeizig. Als weitere Wegmarke machte Helge Letonja den Welttanztag am 29. April namhaft. An diesem Termin ist ein Podium mit einem nationalen Expertengremium geplant, um das Vorhaben mit Tanzschaffenden und Kulturpolitikern zu diskutieren. Im Anschluss an die Bürgerschaftswahl vom 26. Mai soll die Vision nach dem Willen der Initiative in ein erstes Planungsstadium münden. Ziel sei die Eröffnung des Tanzhauses zum Ende der kommenden Legislaturperiode. Letonja nannte die Jahreszahl 2024 als Wunschtermin für Einzug und Arbeitsbeginn.

 

Ein wesentlicher Impuls für die Initiative sei vom Förderbericht 2018 des Bremer Senators für Kultur ausgegangen, sagte Härtel. Die darin versammelten Aussagen zur Vernetzung von Akteuren, zur Schaffung von Synergieeffekten und zur „Bereitstellung von Produktionsstätten“ würden Mut machen, ja seien beflügelnd.

Heide-Marie Härtel sieht in dem Konzept, das auch Arbeitsfelder wie Inklusion, forschende Tanzmedizin, Tanz und Schule sowie Stadtteilarbeit beinhaltet, eine verheißungsvolle Möglichkeit, an wirkungsmächtige Bremer Tanztraditionen anzuschließen, für die Namen wie Susanne Linke, Reinhild Hoffmann, Urs Dietrich und Johann Kresnik einstünden. „Das neue Tanztheater ist nicht in Wuppertal, sondern in Bremen erfunden worden“, sagte Härtel weiter.

 
Hiesige Tanzsparte auf einem Level mit kleineren Städten
An diese Traditionslinien am Theater Bremen anzuknüpfen, sei schon im Blick auf die Anzahl der Tänzer schwierig. Mit einer Compagniestärke von acht Akteuren bewege sich die hiesige Tanzsparte auf einem Level mit kleineren Städten wie Cottbus und Halberstadt; dagegen habe das Niedersächsische Staatstheater in Hannover 29, die städtische Bühne in Nürnberg sogar 79 Tänzer.

„Der Aus- und Aufbau eines zweiten Standbeins erscheint dringend geboten“, sagte Härtel abschließend. Ziel sei eine sinnvolle Ergänzung des städtischen Theaterbetriebes hinsichtlich des Tanzsegments. Dazu zählen auch die Anbindung von Einrichtungen und Personen, die sich um Ausbildungs- und Gesundheitsaspekte kümmern. Für die entsprechenden Bereiche hat sich die Initiative der Mitwirkung der Tanzpädagogin Jacqueline Davenport und der Gesundheitswissenschaftlerin Annelie Keil versichert.

 

Die künstlerischen Möglichkeiten, die eine Ballung von interdisziplinärem Sachverstand an einem Ort haben könnten, skizzierte Helge Letonja. Es gehe darum, „Tanzproduktionen in ihrer Entstehung und Vernetzung neu zu denken“. Zur Namensgebung merkte er an, dass „Kultur Passage“ – notabene: (noch) ohne Kopplungsstrich – für jenes Prinzip der Durchlässigkeit stehe, das sich die Initiative von dem Projekt verspreche.

 

“Tanzproduktionen in Entstehung und Vernetzung neu zu denken, ist das Ziel

steptext-dance-project-Leiter Helge Letonja

 

Das gelte nicht nur für den Tanz, sondern auch für andere Bühnenspielarten wie das Schauspiel. Von der Schaffung zusätzlicher Aufführungsflächen könne nicht zuletzt auch das Theater Bremen profitieren, das ebenfalls einen Mangel an Spielstätten, an Probebühnen zumal, beklage. Weitere Andock-Pläne der Tanzinitiative betreffen die vis-à-vis gelegene Städtische Galerie. Nach punktuellen Kooperationen mit der Kunsthalle sind die Aktivisten offenbar zum stadtweiten Schulterschluss entschlossen.” Hendrik Werner