“Kresnik war weit mehr” – Reaktion auf einen Beitrag im Weser-Kurier

Mit ihrem Leserbrief reagiert Susan Barnett, die von 1985 bis 1993 Mitglied im Ensemble von Hans Kresnik war, auf den Artikel "Ist das noch Tanz oder kann das weg?", der anlässlich des Todes Kresniks im Weser-Kurier erschienen war.

| Bremen
Tafi-Info | 13.8.2019

“Als Intendant Kurt Hübner im Jahr 1968 Johann Kresnik nach Bremen holte, suchte er eine neue Tanzrichtung. Im Theater inszenierten Regisseure wie Fassbinder, Gruber, Zadek und Stein wegweisend. Kresniks Idee eines politischen Tanztheaters passte dazu. Er führte das Bremer Tanztheater 1968 bis 1978 und 1989 bis 1994 und blieb dem Theater als Regisseur bis 2007 verbunden.

Künstlerische Virtuosität, direkte, bildreiche, intuitive, unkonventionelle Bewegungssprache, radikales Denken und inhaltliche Kompromisslosigkeit, aufregende Arbeitsweise und Charisma faszinierten und bewegten Darsteller, Publikum und Kritiker. Er beherrschte Komisches wie Tragisches, setzte genial Fragilität gegen Gewalt. Stücke wie “Macbeth”, “Familiendialog”, “Sylvia Plath”, “Ulrike Meinhof”, “Frida Kahlo” und “Wendewut” füllten das Bremer Theater sowie internationale Häuser. Auf dem Edinburgher Festival 1989 bejubelte die Kritik “Macbeth” als stärkste Produktion und Beispiel eines neuen “physical theatre”.

Kresniks Stücke forderten die Auseinandersetzung mit Machtmissbrauch und Korruption, thematisierten die deutsche Vergangenheitsbewältigung. Provokation und Skandale erzwangen den Diskurs. Auf seinem Schaffensgipfel zog er Kritiker aus der gesamten Republik an. In einem Beitrag des WDR 3 zu “Ulrike Meinhof” hieß es 1990: “Dieser Bremer Theater-Triumph gibt sich nur mit dem Äußersten zufrieden. Er ist daher mehr als eine ruppige Ruhestörung, mehr als eine extremistische Erregung.” Mag sich Bremen beim Namen Kresnik auch daran erinnern.”

 

Susan Barnett, Bremen, Ensemblemitglied 1985 bis 1993

Veröffentlicht im Weser-Kurier am 13. August 2019

 

Der Beitrag “Ist das noch Tanz oder kann das weg?” anlässlich des Todes von Hans Kresnik erschien am 29. Juli 2019 und ist im Weser-Kurier online hier verfügbar.