Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen stellt sich neu auf
Neustart
Tafi-Info | 04.04.2008
Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen stellt sich neu auf. Ein Zwischenbericht zur Finanzierungsproblematik des Instituts von Heide-Marie Härtel. Bitte lesen Sie zu diesem Thema auch den Artikel vom 25.10.2007: Tanzfilminstitut in Not. Zehn Wochen vor Jahresende steht das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen völlig unerwartet vor dem Aus. Offener Brief von Heide-Marie Härtel an Freunde, Förderer und Nutzer des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen > Artikel lesen Drei Jahre nach dem letzen großen Schub in der Entwicklung des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen durch die Umplatzierung in das Forum am Wall wird klar, dass die derzeitige institutionelle Aufstellung einer entscheidenden Erneuerung bedarf. Gesteigerte Aufgabenstellungen durch die nationale Bedeutung des Instituts, erhöhte Kosten für Unterbringung und Personal bei gleichzeitig verminderten Marktchancen im Bereich der Refinanzierung der Kosten und die angespannte Haushaltslage der öffentlichen Förderer haben über die letzten drei Jahre eine existenzbedrohende Dauerkrise erzeugt, die zum jeweiligen Jahresende stets zu aktuellen Notständen geführt hat. Dank der Bereitschaft vor allem vom Land Bremen, vom Bund, wie auch von den Mitarbeitern des Tanzfilminstituts auf diese Situation mit Liquiditätshilfen oder Lohnverzicht zu reagieren, konnte das Institut überleben. Dies soll und kann nicht zum Dauerzustand werden. Fachgerechte Analysen zu den Bedingungen des wirtschaftlichen Überlebens durch die Kulturbehörde und eine unabhängige Wirtschaftprüfung ergaben, dass zur Weiterführung und Fortentwicklung des Instituts in Bremen eine tiefgreifende Umstrukturierung des „Grundsettings“ in der organisatorischen wie finanziellen Basis nötig ist. Seit dem Jahreswechsel 2007/2008 arbeitet eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Kulturbehörde an einer Lösung der misslichen Situation. Der verabredete Zeithorizont ist der Frühsommer 2008, bis zu dem eine Strategie zur Umstrukturierung gemeinsam beschlossen und in die Wege geleitet werden soll. Die Absicherung der Institutsarbeit unter neuen Bedingungen für einen Zeitraum von mindestens 3-5 Jahren ist das Ziel. Hintergründe für die veränderte Situation des Tanzfilminstituts. Die relative Stabilität der finanziellen Verhältnisse des Tanzfilminstituts gründete sich in erster Linie auf die Bereitschaft aller Mitarbeiter, zu sehr günstigen Konditionen im Tanzfilmin-stitut zu arbeiten. Vielfach war auch die Leitungsebene über AB-Maßnahmen gestützt. Selbst hochkarätige Fachleute haben in Krisensituationen auf ihre Honorierung ganz oder zum Teil verzichtet. Ein zweites Plus bestand in der Bescheidenheit der Unterbringung der Institution zu kostenfreien oder kostengünstigen Konditionen. Ein drittes Standbein war die Doppelkonstruktion des Unternehmens in einen gemeinnützigen Verein und eine dem Verein gehörende GmbH, die mit Hilfe der Bremer Kultur- und Wirt-schaftsbehörden 1996 begründet wurde. Man kann durchaus von einer Erfolgsgeschichte sprechen, wenn die Berechnungen über die Jahre 1995-2006 einen Gesamtumsatz von ca. 3 Mio. Euro für beide Körperschaften ausweisen. Davon sind weniger als 20% (über die Jahre verteilt) aus dem Bremer Kulturhaushalt geflossen. Alle drei oben aufgeführten Bedingungshintergründe, für die bis dato stets prosperierende Institutsentwicklung bis hin zum führenden Institut dieser Art in Europa, treffen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr zu. Die Arbeit verteilt sich auf die Schultern von mittlerweile ca. sechs ganzen Stellen (Teilzeit, Halbtags- und Ganztagskräfte zusammengerechnet) und je nach Bedarf Honorarkräften für besondere Aufgaben. Die Ansprechpartner / Kunden / Nutzer (Theater, TV-Anstalten, Universitäten, Goethe-Instituten etc.) erwarten von den professionellen Mitarbeitern zuverlässigen, kostenlosen oder höchstens gebührenpflichtigen Service, wie sie es ansonsten ebenso selbstverständlich beispielsweise von öffentlichen Bibliotheken und Universitäten erwarten. Die sehr mangelhafte Unterbringung bis 2004 gefährdete mittlerweile stark den Erhalt des Archivs (u.a. schlechte Lagerung), bot keine konkreten Arbeitsplatzstrukturen und wurde der Bedeutung für die Öffentlichkeit und dem Bedarf von Nutzern nicht im mindestens gerecht. Die Kombination der beiden Körperschaften (Verein und GmbH) konnte für lange Zeit eine wichtige Stütze für beide sein – die Steigerung der Aufgaben im nichtkommerziellen Bereich und der Rückgang des Sendevolumens der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten im Tanzbe-reich verlagerten auch die Kostenstruktur im Ganzen. Ein vierter, aber nicht zu vernachlässigender Punkt ist die grundsätzlich stark angewachsene Bedeutung des Genres Tanz im Theater, in den Universitäten und im Bildungsbereich im Allgemeinen, dem das Tanzfilminstitut mit seinen fast 20.000 Videodokumenten in geradezu idealer Weise begegnen könnte, so seine Existenz gesichert ist. Konsequenzen aus den veränderten Bedingungen Durch die veränderten Umstände verlagern sich die finanziellen Grundlagen und der inhaltliche Fokus der Arbeit des „Projekts Tanzfilminstitut“. Der Teil der fixen Kosten für die Infrastruktur ist gestiegen – die Abhängigkeit von Fördermittel für den gewachsenen Teil der nichtkommerzialisierbaren Arbeit im gleichen Maße. Daraus leitet sich ein Prozess ab, in dem insbesondere die Kulturbehörde Bremens sich als bisher wichtigster Fördergeldgeber des Tanzfilminstituts neu positioniert. Die Bereitschaft dazu wurde auf mehreren Ebenen der neuen Ressortleitung vielfach betont. Im Vertrauen auf eine lebensfähige Lösung zur Existenzsicherung des Instituts bis Mitte 2008, die gemeinsam gefunden werden soll, stimmt das Tanzfilminstitut die dazu nötigen aktiven Schritte nach außen mit der Kulturbehörde ab. 1. Arbeitsschritt: Was ist das Ziel der Arbeitsgruppe? Der erste Baustein zur Neukonstituierung wurde im Februar / März 2008 gelegt. Das Tanzfilminstitut legte einen Finanzplan für die nichtkommerzialisierbaren Basisaktivitäten des Instituts vor. Er beläuft sich auf 214.000 Euro jährlich. Im Gegensatz zu der bisher fokussierten Fördersumme von ca. 130.000 Euro (Bund und Land) begründet dieser die Not-wendigkeit der Erhöhung der Förderung um ca. 85.000 Euro jährlich. Als wesentliche Grund-lagenarbeiten sind darin der Erhalt des Archivs in seiner Substanz und Zugänglichkeit, die Aktualisierung der Dokumentation des deutschen Tanzlebens und die gesteigerte Präsenz des Instituts im Bremer Kulturleben benannt. Erwähnenswert an diesem Entwurf ist zudem, dass der Finanzplan bereits in starkem Maße berücksichtigt, dass die Aufrechterhaltung der Infrastruktur nicht alleine auf den Schultern des gemeinnützigen Vereins ruht. Abgesehen von einer Vollzeitstelle für die Archivarbeit gehen beispielweise Leitungsstelle und Sekretariat nur mit einer Drittelstelle in die Budgetplanung mit ein – die Mietkosten sind nur zu 50% berücksichtigt. Ein Gespräch am 14. Februar 2008 mit der Behördenleitung, Frau Carmen Emigholz ergab, dass es zum Hauptziel der Arbeitsgruppe erklärt werden kann, diesen, aus mehreren Quellen finanzierten, Budgetrahmen (nach Prüfung) für die Arbeit des Tanzfilminstituts über einen längeren Zeitraum sicherzustellen, um sich nicht mehr auf die Unwegsamkeiten von Einnahmesituationen verlassen zu müssen. 2. Arbeitsschritt: Transparenz im Zusammenspiel von Verein und GmbH Zur Verifizierung des Zahlenmaterials und Klärung der für Außenstehende undurchsichtigen Zusammenhänge zwischen Verein und GmbH schlug die Behörde eine unabhängige Wirtschaftsprüfung vor. Die Institutsleitung stimmte dem ohne jegliche Vorbehalte zu, so dass bereits zwei Tage nach dieser Verabredung eine Prüfung im Tanzfilminstitut begann, deren Ergebnisse nun der Behörde mitgeteilt wurde. Da die Ergebnisse leider dem Tanzfilminstitut noch nicht vorliegen, will ich hier noch einmal kurz etwas zu „Philosophie dieser Verbindung“ ausführen: Die GmbH wurde 1996 in Anregung und Moderation der Bremer Kulturbehörde begründet. Ausgangpunkt dazu waren die mittlerweile unzweifelhaft marktgerechten Filmproduktionen, die verstärkt von den öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten angefragt wurden. Eine zuverlässige technische Infrastruktur, die den Ausbau dieses Teil der Institutsarbeit sicherstellen konnte, war mit den Förderrichtlinien gemeinnütziger Kulturarbeit nicht mehr sinnvoll zu verbinden. Mithilfe von Bremer Wirtschaftförderung und einem Kredit bei der Bank für Wiederaufbau (Gesamthöhe ca. 300.000 DM, getilgt) wurde die Basis für einen zeitgemäßen Gerätepark gelegt, der noch heute (wenngleich immer wieder modifiziert) betrieben wird. Die Arbeitsteilung zwischen Verein und vereinseigener GmbH besteht in folgenden Elementen: Der Verein hat die Möglichkeit, seine Arbeit auf einem technisch zeitgemäßen, hohen Niveau auszuführen, da die GmbH-Ausstattung zu einem sehr geringen Mietwert zur Verfügung steht. Die GmbH wiederum profitiert von der Vielfalt und Differenziertheit der Aufarbeitung des großen Archivs. Bei guter Auftragslage der GmbH füllt sich das Archiv vornehmlich mit Dokumenten, die im Kontext der GmbH erstellt wurden. Finanzielle Transferleistungen zwischen Verein und GmbH betreffen im Wesentlichen die Gerätenutzung. Ebenso arbeiten verschiedene Mitarbeiter auch für beide Organisationen. Dies betrifft jedoch nicht die Praktikanten, die Injobber und die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Wir sind sicher, dass weder GmbH noch Verein als Einzelelement überlebensfähig wären. Es gibt keine Medienfirma in Deutschland, die durch eine derartige Spezialisierung auf Tanzdokumente am Fernsehmarkt überlebt. Ebenso ist es nicht vorstellbar, dass beispielsweise eine öffentliche Musikbibliothek in die Lage versetzt werden kann, ihre Tonträger selber zu produzieren. Die Aufgabe, die hier die Musikindustrie mit ihren Massenprodukten erledigt, ist im Tanzbereich nicht annährend durch die TV-Anstalten gelöst. Trotzdem scheint für die Zukunft wichtig, die Verbindung der beiden Arbeitssäulen transparenter zu gestalten und eine Profilschärfung der jeweils einzelnen Organisation anzustreben. Dies betrifft insbesondere die eindeutige, verantwortliche und für die Fördergeber des Vereins stets transparente Beteiligung der GmbH an der Zahlung der Infrastruktur, in erster Linie die Übernahme von 50 % der Mietlast. Denkbar für uns ist auch die Beteiligung der GmbH an der Refinanzierung der Fördergelder aus eventuellen Gewinnen der GmbH. Perspektivisch gesehen ist es wünschenswert, im Detail zu prüfen, ob es andere Organisationsstrukturen gibt, die die Doppelkonstruktion neu definieren. So sollten die Vorzüge und Nachteile der Umwandlung in eine Gemeinnützige GmbH und die Überführung in eine Stiftung von Fachleuten erörtert werden. Resümée: Im Vertrauen darauf, dass die Arbeitsgruppe weiterhin erfolgreich arbeiten kann, fänden wir es sehr schön, zum Anfang 2009 dann unter neuen Bedingungen das Jubiläum „20 Jahre Deutsches Tanzfilminstitut“ mit vielen nationalen und internationalen Gästen“ im Forum am Wall, im „Schaufenster des deutschen Tanzes“, feiern zu können.