Felix Ruckert TV-Bericht

3sat | D
TV-Produktion | 2005

TOP NEWS Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen on air. TV-Sendung Premierenbericht Felix Ruckert: Messiah Game in FOYER auf 3sat Magazinbeitrag, 5min Autoren: Gabriele Wittmann, Hartmut Sebel Produktion: Deutsches Tanzfilminstitut Bremen Redaktion 3sat: Birgit Adler-Conrad Sendetermin: Sa. 19.03.05, 19.20 Uhr Wiederholungen: Mo. 21.03.05, 6.25 Uhr und 9.05 Uhr


H I N T E R G R U N D: Die Uraufführung von MESSIAH GAME. Bereits die frühen Stücke von Felix Ruckert, Folkwang-Schüler und ehemaliger Tänzer bei Pina Bausch, waren umstritten. Mitmachtheater nannten es die einen. Andere schätzten die Arbeiten als überzeugenden Ansatz die Trennung von Bühne und Publikum aufzuheben. In Ring sitzt eine Gruppe von Zuschauern im Kreis auf der Bühne, mit dem Rücken zur Mitte. Die Tänzer berühren die Zuschauer, bewegen sie, wechseln zum nächsten, setzen ihren Tanz im Zentrum des Kreises fort, sichtbar nur für die anderen Zuschauer. Die Gruppen erfahren den sich halbstündig mit anderen Gästen wiederholenden Tanz so aus unterschiedlichen Perspektiven. Secret Service nimmt den Besuchern den visuellen Eindruck komplett und leitet sie in die Tiefe eigener Bewegungserfahrung. Mit dem Kauf der Eintrittskarte bekommt jeder seinen Termin und geht allein in die Veranstaltung. Blind wird er von den Tänzern im Raum bewegt, taumelt, schwebt, wird gezogen, aufgefangen, gehalten und wieder in die nächste Begegnung entlassen. Der Zuschauer entscheidet im Anschluss, ob er auch einen Termin für den zweiten Teil buchen möchte. Denn dort steigern die Tänzer die Intensität der Bewegung und Berührung bis an die Grenze zum Schmerz. Unbekleidet taucht der Besucher in die Sinnlichkeit sadomasochistisch gefärbter Bewegung und Berührung ein. Die Augen verbunden, von den Händen der Tänzer sanft aufgenommen, entstehen Pfade auf der Haut, Wege des Erforschens erster Reaktionen, hin und wieder ein Zwicken, schließlich Hängen an Seilen, die Tänzer klatschen, streicheln, kratzen, küssen. Auch der Lederriemen kommt zum Einsatz, süße Verlockung und dann ein Schlag – sofern nicht Unwohlsein signalisiert wird. Diese sinnliche Verständigung, das ineinander Fließen der Beteiligten, macht das Stück für beide Seiten zu einer besonderen Erfahrung. Doch es stellt sich die Frage, ob die Bühne der geeignete Ort ist. Wo verläuft die Grenze zwischen der Intensität von Kunst und Therapeutischem?


Nun also Messiah Game. Ein Gruppenstück, in dem Felix Ruckert seine choreografischen Qualitäten deutlich hervorbringt. Ein Stück von jenseitiger Ruhe – trotz der extrem temporeichen Tanzsequenzen, als Improvisation von den Tänzern brilliant entwickelt. Nicht zuletzt trägt das Bühnenbild zu diesem scheinbaren Stillstand bei: Die fünf Szenen des Stücks werden zu Universen, in denen sich dieselbe Ganzheit entfaltet, mit jeweils unterschiedlichen Akzenten. Die Taufe vor einer Wand aus breiten Alustreifen, die an die Struktur gotischer Kathedralen erinnert, geheimnisvoll selbst in gleißendem Licht. Der energiegeladene Tanz verliert den Boden, wo er gleichzeitig kaum realer an ihn gebunden sein kann. Als Idee des Starken und gleichermaßen von seiner Bestimmung Hinweggerissenen, findet sich diese für Ruckert doppeldeutige Figur Jesu hier wieder. Die Versuchung in der Wüste im schummrig braunen Schein eines hoch oben hängenden riesigen Dornenkronen-Gebildes aus Neon. Die Tänzer nackt, in Posen barocker Gemälde, wie Inseln im Meer der Wüste. Zwischen ihnen tanzt die Versuchung, rote Wäscheklammern an der Haut des Rückens. Flügel eines Engels oder Vorschein der Wundmale? Das letzte Abendmahl – natürlich – als Persiflage auf Leonardo da Vincis Abendmahl. Ruckert verlässt nicht die Folien der überkommenen Vorstellungen. Er nimmt sie auf als Basis, als die uns prägenden Bilder und vermeidet so eine vordergründige Konfrontation mit dem Thema. Auch damit entsteht diese Ruhe, die Ruckert quer dazu seine eigene Arbeit zeigen lässt: Bei ihm verkörpern alle Rollen Jesus, sowohl die Hingebungsvollen, als auch die Fordernden, Bestimmenden. Und so steigert sich das Abendmahl zur wilden Party in Lack und Leder und realem Stiefellecken, in einem Raum aus sich leicht bewegenden, hellen Vorhängen, mit denen die Zeit der Kreuzigung entgegen zu wehen scheint. Die Improvisation der Tänzer findet einen neuen Gegenstand. Sie geht hinein in einen Bereich, der, wie auch der Tanz, vom Gespür für das Gegenüber lebt, so der Gefühlsrausch nicht in seelische oder physische Verletzung umschlagen soll. In den Augen der Zuschauer folgt nun die umstrittenste Szene des Abends, die Kreuzigung. Ruckert führt dem Publikum gleich drei Kreuzigungen nebeneinander vor, als real durchgeführte sadomasichistische Session von vierzig Minuten, kein “Mitmachtheater”. Wieder die roten Wäscheklammern, Klapse auf den Po, schaukelnd an Ketten, mit geschlossenen Augen Momente des Wartens auf die nächste Berührung, Streicheln, Küssen oder ein Hieb mit dem Sechsriemer, die Nervern reagieren auf jeden Luftzug. Ruckert versteige sich in ein naturalistisches Gewalt-Spektakel, dies zeige seine Unfähigkeit zu choreografieren, oder: Ruckert falle hinter die Qualität seiner früheren Arbeiten zurück, weil sich das Empfinden der Tänzer nicht auf das Publikum übertrage, oder: Ruckert sei der erste, dem es gelingt eine derart große Nähe zum Publikum herzustellen, die Meinungen gehen weit auseinander. Die Auferstehung findet auf leerer Bühne statt. Allein rechts und links zwei Mikrofonständer entlocken den Tänzern abwechselnd Gefühls-Stereotypen: “I like it”, “I know”. Aus ihrer Sprecherrolle brechen sie aus, in die Mitte, in fabelhafte Soli, nur wenige Schritte, während der nächste schon ins Mikrofon haucht. Schließlich sind sie alle auf der Bühne und formieren sich zu einem ekstatisch feiernden Gospelchor unter der Leitung eines Chorleiters, der den Stimmen die Einsätze diktiert. T-Shirts, vorne “Cie. Felix Ruckert”, hinten “Messiah Game”, – man möchte mit der Leichtigkeit dieser Ironie fragen, wo es sie zu kaufen gibt. Dort ist Herr Jesus also heute angekommen. Wieder eine der bekannten Folien, bei Ruckert aufgelöst in einer improvisierten Komposition von Stimmen, die dem bewegten und tastenden Miteinander der Tänzer in nichts nachsteht. Zum fünften Mal schließt sich der Vorhang. Am Tag nach der Premiere sagen die Veranstalter die geplanten Vorstellungen in Strassburg ab. Das Stück sei – leider – in dieser katholische Region nicht zu vertreten. Der Premierenbericht des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen in Foyer auf 3sat – fünf Minuten, in denen Sie sich ihr eigenes Bild machen können. Weitere Vorstellungen von Messiah Game sind im Herbst 2005 geplant. Infos unter: www.felixruckert.de


Sendetermin: Foyer, 3sat Sa. 19.03.05, 19.20 Uhr Wiederholungen: Mo. 21.03.05, 6.25 Uhr und 9.05 Uhr


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