Aktuelles

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An dieser Stelle können Sie Neuigkeiten des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen auf einen Blick verfolgen.
Ein Event-Kalender informiert Sie darüber hinausgehend über zukünftige als auch gewesene Veranstaltungen und weitere Aktivitäten des Instituts.
Ein Klick lohnt sich.


Eun Me Ahn - Dragons © Sukmu Yun

Eun-Me Ahn Company eröffnet Festival TANZ Bremen

[ 04.05.2022 ]  
“Schwierige Zeiten. Wie könnte es weitergehen? Das Mittel gegen Verzagen, Wüten, Ermatten oder Ängstigen möge diese Zaubershow bieten. Eun-Me [...mehr]

In diesem Institut lagern 40.000 Tanzfilm-Beiträge – buten un binnen Regionalmagazin

[ 11.04.2022 ] “Heide-Marie Härtel hat das Deutsche Tanzfilminstitut gegründet und tausende Aufführungen gefilmt. Dafür wurde sie mit dem Deutschen Tanzpreis ausgezeichnet.” buten [...mehr]

Re_Cycle-tanzbar_bremen. Foto Daniela Buchholz

RE_CYCLE-tanzbar_bremen Premiere

[ 27.04.2022 ] In diesem Stück wird unter anderem der Wert künstlerischer Arbeit aus vergangenen Epochen sowie dessen nachhaltige Auswirkungen auf heutiges kreatives [...mehr]

Foto: Heide-Marie Härtel

Erasmus Solidarity Corps – Volunteering. Giacomo Collonelli aus Italien bleibt als freier Mitarbeiter

[ 15.04.2022 ] Dies ist mein Abschlussbericht, was soll ich sagen, diese Erfahrung war sowohl in persönlicher als auch in beruflicher Hinsicht sehr [...mehr]

Open Art Somatic Symposium

[ 25.04.2022 bis 26.04.2022 ] Es deutet vieles darauf hin, dass Corona, Klimawandel und Kriege, wie der russische Angriff gegen die Ukraine, sich zur Krise [...mehr]

Open ArtXperience Tanzdiskurse April 2022

[ 01.04.2022 bis 26.04.2022 ] Open ArtXperience [...mehr]
 
Es deutet vieles darauf hin, dass Corona, Klimawandel und Kriege, wie der russische Angriff gegen die Ukraine,

Olga Bontjes van Beek vor einem Vorhang von Bernhard Hoetger. Archiv Saskia Bontjes van Beek.

Olga Bontjes van Beek – Vom Tanz zur Malerei. Ein Abend mit Texten, Bildern und Tönen

[ 26.03.2022 bis 27.03.2022 ]  
 
 
Die Tänzerin, Bildhauerin und Malerin Olga Bontjes van Beek ist die sechste und jüngste Tochter des Malers [...mehr]

Das Europäisches Solidaritätskorps – Unsere Erfahrungen als Aufnahmeorganisation für Freiwillige aus Europa

[ 14.02.2022 ]  
 

 
Das Deutschen Tanzfilminstitut Bremen bietet jungen Menschen aus Europa die Möglichkeit als Freiwillige in den laufenden Betrieb [...mehr]

Die Fotografin Marianne Menke

moving faces. Foto- und Filmporträts von 36 Bremer Tanzschaffenden

[ 11.12.2021 ] Sichtbar werden viele Facetten in den fast 40 Porträts Bremer Tanzschaffender, die im Auftrag des Landesverband TanzSzene Bremen von der [...mehr]

Deutscher Tanzpreis 2021. Die Gala

[ 24.10.2021 ] Am Samstag, den 23. Oktober 2021, wird der Deutsche Tanzpreis im Essener Aalto-Theater verliehen – die renommierteste Auszeichnung für den [...mehr]

tanz:digital. Virtuelles und interaktives Forum für Tanz [Making Of]

[ 15.10.2021 ]  
 
TANZ DIGITAL [...mehr]
 
“Ziele der Förderung im Rahmend es Programms NEUSTART KULTUR sind die Entwicklung innovativer choreografischer/künstlerischer Formate

Foto: Jörg Landsberg

Geteilte Blicke. Ein Interview von Claudia Henne mit Heide-Marie Härtel

[ 01.10.2021 ]  

Das Gespräch der Tanz-Journalistin mit der diesjährigen Tanzpreisträgerin veröffentlicht die Zeitschrift “tanz [...mehr]“ in ihrer aktuellen Ausgabe. Hier

Bombe spricht. Foto: bodytalk Bombe spricht – bodytalk + Kaet Dance Ensemble
Von Yoshiko Waki und Rolf Baumgart
Dreharbeiten bodytalk Münster, Pumpenhaus D 27.10.2019

Was, wenn Granaten ein Gewissen hätten? Sich entscheiden könnten, nicht zu explodieren?

 

BOMBE SPRICHT geht von einem realen Anschlag aus. 1970, auf dem Flughafen München, wurde der Transitbus einer israelischen El-Al-Maschine attackiert. Passagier Arie Katzenstein warf sich schützend auf eine der Handgranaten. Und rettete mit dem eigenen Tod das Leben vieler anderer. Dieses Tanztheaterstück mit Live-Musik spürt dem selbstlosen suicide bomber nach – und erzählt die Geschehnisse aus der Perspektive der Mordwaffe. Es dehnt sich die Sekunde, die vom Ziehen des Abzugs bis zur Detonation vergeht. Zur explosiven Ewigkeit.

 

Das Münsteraner Ensemble bodytalk kooperiert hier erstmals mit der Jerusalemer Gruppe Between Heaven and Earth. Die besteht ausschließlich aus orthodoxen Tänzern. Und begeisterte das Publikum jüngst beim Festival „Flurstücke“. Gemeinsam fragt das deutsch-israelische Team, ob eine Bombe sich ihrer Bestimmung entziehen kann. Und vielleicht als Vorbild taugt.

 

Von / mit Chanania Schwarz, Charlotte Goesaert, Erik Zarcone, Eyal Ogen, Kornelia Maria Lech, Lukas Zerbst, Yuval Azoulay, Ziv Frenkel, Angelika Fink, Lara Hohmann, Lennart Aufenvenne, Momoko Baumgart, Rolf Baumgart , Ronen Izhaki, Yoshiko Waki Koproduktion mit dem Theater im Pumpenhaus (Münster), Machol Shalem Dance House (Jerusalem), Asphalt Festival (Düsseldorf) Gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, die Kunststiftung NRW, das Kulturamt der Stadt Münster, Pathos (München), Generalkonsulat des Staates Israel in München

 

Das Team des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen freut sich sehr, dieses Tanztheaterstück filmisch zu dokumentieren.

Deutscher Tanzpreis 2019.  PACT Zollverein - Isabelle Schad ©Raduenzel Tanzpreis 2019 an Gert Weigelt
Tanzfotograf Gert Weigelt ausgezeichnet/ Ehrungen für Jo Parkes und Isabelle Schad
Dreharbeiten Dachverband Tanz Deutschland Essen - Aalto-Theater und PACT Zollverein D 18. und 19.10.2019

 

Der Deutsche Tanzpreis 2019 ging in diesem Jahr an den weltweit bekannten Tanzfotografen Gert Weigelt. Die Verleihung des ebenso traditionsreichen wie auf Innovation bedachten Preises fand am 19. Oktober im Rahmen einer hochkarätigen Tanz-Gala im Aalto-Theater Essen statt. Für ihr Schaffen geehrt wurden zudem die Tanz- und Videokünstlerin Jo Parkes sowie die Tänzerin und Choreografin Isabelle Schad, die bereits am Vorabend auf PACT Zollverein im Rahmen der Tagung POSITIONEN: TANZ ihre Urkunden entgegennehmen konnten.

 

Die Gala nahm – wie es bereits in den letzten Jahrzehnten Markenzeichen des Preises war – künstlerische Beiträge unter Bezugnahme auf die Arbeit der Preisträger*innen in den Fokus und bot dem Publikum ein gefeiertes Programm mit internationalen Gästen.

 

Mit dem Staatsballett Berlin, mit den Essener Philharmonikern, dem Ballett am Rhein Düsseldorf-Duisburg, Het Nationale Ballet Amsterdam und dem Bayerischen Junior Ballett München, mit Lutz Förster, Marlúcia do Amaral, Iana Salenko und Daniil Simkin wurden Kompanien und Tänzerpersönlichkeiten von Weltrang präsentiert und mit Choreografien und Arbeiten von George Balanchine, Pina Bausch, Sharon Eyal, Laurent Goldring , Hans van Manen, Jo Parkes, Isabelle Schad, Martin Schläpfer und Xin Peng Wang wurde der Bogen von der Neoklassik über Tanztheater und Moderne bis zum freien zeitgenössischen Tanz und partizipativen Projekten geschlagen.

 

Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen freut sich, die Veranstaltung mit ihrer hochkarätigen Tanz-Gala zu dokumentieren.

In Memoriam - Gedenkveranstaltung im Kulturni Dom Bleiburg/Pliberk. Foto: Kirsten Tiedemann In Memoriam JOHANN KRESNIK (1939-2019)
Beisetzung und Gedenkveranstaltung in Bleiburg/Kärnten am 4. und 5. Oktober
Veranstaltung Bleiburg, Kärnten Österreich 3. und 4. Oktober 2019

 

 

Am 27. Juli 2019 ist der weltbekannte Choreograph Johann Kresnik verstorben.

 

“Johann Kresnik hat mit seinem Choreographischen Theater Tanzgeschichte geschrieben und damit auch das Theater insgesamt verändert. Immer fühlte er sich dem Auftrag  des politischen Künstlers verpflichtet, aus dem dieser – um es mit Heiner Müller zu sagen: solange es Herren und Sklaven gibt, nicht entlassen ist. In Kärnten geboren zog er wie ein Peer Gynt in die Theaterwelt hinaus. 2009 setzte Hans Kresnik in seiner Heimat Bleiburg ein Zeichen: “Auf uns kommt es an!” ist der Titel unseres Stücke und Auftrag an uns weiterhin.”

Christoph Klimke

 

Am Samstag, 5. Oktober 2019 findet in Kresniks Heimat Bleiburg/Pliberk die Gedenkveranstaltung „In Memoriam-Johann Kresnik“ statt.

 

Um 16.00 Uhr wird im Werner Berg Museum im ersten Obergeschoss eine Kabinett-Ausstellung mit zahlreichen Zeichnungen und choreographischen Skizzen von Johann Kresnik, sowie eine Dokumentation des 2009 in Bleiburg uraufgeführten Kresnik-Stückes „Jura Soyfer – Auf uns kommt es an“ eröffnet.

 

Der in der Ausstellung gezeigte Kurzfilm von Lisa Huber portraitiert Johann Kresnik in seinem Heimatort St. Margarethen bei Bleiburg.

 

Zur Ausstellungseröffnung spricht Gottfried Helnwein, langjähriger künstlerischer Wegbegleiter und Freund von Hans Kresnik.

 

Musik: Janez Gregorič / Arthur Ottowitz
Moderation: Raimund Grilc

Eröffnet wird die Ausstellung von Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser.

 

Im direkten Anschluss an die Ausstellungseröffnung findet ab 18 Uhr in Zusammenarbeit mit dem CCB – Center for Choreography im Kulturni Dom Bleiburg/Pliberk  die offizielle Gedenkfeier mit einer Tanzperformance von Ismael Ivo sowie Beiträgen u.a. von Anna Hein, Christoph Klimke, Zdravko Haderlap, MoPZ Foltej Hartman, Thomas Nečemer  sowie ImpulsTanz Festival Wien statt.

 

Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen nimmt gemeinsam mit WegbegleiterInnen aus Bremen in Gedenken an den herausragenden Theatermann Hans Kresnik an der Gedenkveranstaltung teil.

 

 

Für Vier. Foto: Theater Bremen Bremer Choreografin Birgit Freitag für FAUST-Preis 2019 nominiert

Tafi-Info Kassel/Bremen D 12.9.2019

Der “Faust” ist unbestritten der renommierteste Theaterpreis in Deutschland. Vergeben wird er unter anderem vom Deutschen Bühnenverein, dem Zusammenschluss aller Theater in Deutschland, und von der Kulturstiftung des Bundes. Jetzt wurden die Nominierungen für dieses Jahr veröffentlicht – und auf dieser Liste steht auch Birgit Freitag: Tänzerin, Choreographin, Festivalmacherin – freischaffende Künstlerin mit einer engen Verbindung zum Theater Bremen. Nominiert wurde sie in der Kategorie “Regie Kinder- und Jugendtheater” für die Produktion “Für Vier” am Theater Bremen; eine Produktion des Moks, also des Jungen Theaters und der Jungen Akteure Bremen.
Sie tritt am 9. November im Staatstheater Kassel gegen zwei weitere Nominierte in der Kategorie „Regie Kinder- und Jugendtheater“ an, teilte der Deutsche Bühnenverein mit.

 

Zur Berufsbiografie der nominierten Künstlerin berichtete der Weser-Kurier: “Birgit Freitag arbeitet seit 1992 als Performerin und Choreografin an der Schnittstelle von Tanz, Theater und weiteren Künsten. Von 1993 bis 2002 war sie Teil der künstlerischen Leitung des internationalen Tanzfestivals TANZ Bremen. Im Jahr 2000 gründete sie die „every friday | dance production“ für spartenübergreifende Projekte. „Eins zu Eins“, ihre erste Eigenproduktion für Bremens Jugendtheatersparte, wurde als eine von zehn herausragenden Inszenierungen zum Festival „Augenblick Mal! 2017“ nach Berlin eingeladen. Die Zeitschrift „Tanz“ benannte Freitag 2017 in ihrem Jahrbuch als Hoffnungsträgerin.” Weser-Kurier 12.10.2019 

 

Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen freut sich sehr mit Birgit Freitag und gratuliert ihr herzlich!

 

Melanie Heyne mit der Choreografin Susanne Linke im Deutschen Tanzfilminstitut Bremen 2018. Foto: Heide-Marie Härtel Ein Jahr in der Welt des Tanzes
Mein Freiwilliges Kulturelles Jahr im Deutschen Tanzfilminstitut Bremen. Ein Erfahrungsbericht von Melanie Heyne.
Tafi-Info Bremen D 30.09.2019

Ein freiwilliges Jahr im Deutschen Tanzfilminstitut Bremen – das ist eine schöne Sache. Zumindest war es das für mich. Ich bin Melanie und habe das Institut während meines Freiwilligen Kulturellen Jahres 2018/19 kennenlernen dürfen.

 

Als zugezogene Neubremerin wurde ich im Institut von allen sehr herzlich aufgenommen und habe im Laufe des Jahres viel gelernt. Natürlich war es anfangs nicht immer einfach, wenn alle mit Fachworten um sich geworfen haben, aber mit der Zeit habe ich mehr und mehr verstanden und konnte auch mitdiskutieren.

 

Während meiner Zeit im Tanzfilminstitut habe ich einen detaillierten Einblick in die tägliche Arbeit des Filmarchivs gewonnen und durfte an allem teilhaben: Das reichte vom Umgang mit der spezifischen Datenbank bis hin zu selbstständigen Dreh- und Schnittarbeiten nach Anleitung für aktuelle Produktionen. Außerdem wirkte ich mit an der Recherche über Tanzhäuser in Deutschland und Europa und unterstützte das Team bei Arbeiten für die Beteiligung an der Ausstellung “Das Jahrhundert des Tanzes”, die in der Akademie der Künste in Berlin im Spätsommer 2019 mit umfangreichem Filmmaterial des Instituts gezeigt wurde.

 

Was mir an der Arbeit besonders gefallen hat, war der herzliche Umgang miteinander und die enge Zusammenarbeit mit Tänzern und Choreografen, die das Tanzfilminstitut gern als Ort zum Arbeiten und für intensive Recherchen nutzen. Immer wieder geht die Tür auf und die unterschiedlichsten Menschen treffen sich hier – alle verbunden durch den Tanz.

 

Genauso wie wir alle gemeinsam lachen konnten, so wurde auch konzentriert und engagiert gearbeitet. Die räumliche Struktur des Instituts machte dies auf eine erfrischend andere Art und Weise möglich: Es gibt mindestens drei verschiedene Wege, die man durch die Räume einschlagen kann, und je nachdem, wo jemand ungestört arbeiten will, wählt man einfach einen anderen Weg. Die mit Glasscheiben durchsetzten und mit Plakaten verzierten Wände der Räume laden jedoch auch zum Verweilen und zu ausschweifenden Unterhaltungen ein, sodass es ein schönes, kreatives Miteinander ist.

 

Die Arbeit von Freiwilligen ist dem Team des Instituts sehr wichtig und das bekam ich an vielen Stellen zurückgemeldet. Es wirken weitere Ehrenamtliche mit, die wöchentlich einmal kommen – frei nach dem Motto „jeder macht das, was er gut kann“. Das Filmarchiv hat eine große Oberfläche für vielfältige Arbeiten; es wird großer Wert auf den Austausch mit anderen Menschen gelegt.

 

Ich bin sehr froh, dass ich mein freiwilliges Jahr im Tanzfilminstitut absolvieren konnte, denn hier konnte ich den Tanz, den ich als Hobby durchaus kannte, noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen lernen. Ich hatte viel Kontakt zu den Tanzschaffenden und habe eine Menge über die Szene gelernt. Jedoch habe ich auch aus der medialen Arbeit und dem technischen Bereich eine Menge mitnehmen können, sodass ich sogar ein Studium in der Fachrichtung Medienkunst anstrebe.

 

Sehr schweren Herzens habe ich das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen und die Menschen, die es zu dem machen, was es ist, verlassen und übergebe nun meine Stelle an eine neue Freiwillige, die hier hoffentlich genauso vielfältige Erfahrungen sammeln wird, wie ich es getan habe.

 

Ich wünsche dem Institut und dem Team alles Gute für die Zukunft.

Hans Kresnik in Bremen 1977/78 Spagat und Kommunismus – Nachruf auf Hans Krensik von Moritz Rinke [Weser-Kurier]
Der Choreograf und Regisseur Johann Kresnik wurde am 4. Oktober in Bleiburg/Kärnten bestattet. Moritz Rinke erinnert sich im Weser-Kurier an ihn. Wir zitieren seinen Beitrag hier.
Tafi-Info Weser-Kurier Bremen, Bleiburg/Kärnten Österreich D 4.10.2019

 

“Als ich Kind war, hielten die meisten meiner Freunde Bud Spencer für den stärksten Mann der Welt. Manchmal fiel noch der Name Supermann oder Pippi Langstrumpf, aber für mich gab es nur einen, einen Freund meiner Mutter, der hieß Hans, eigentlich Johann, Johann Kresnik.

 

Johann Kresnik war kein Filmheld, sondern Tanztheatermann. In der Küche hängt immer noch ein Bild, auf dem er als Tänzer im Grand Jeté, einem atemberaubenden Spagatsprung, durch die Luft fliegt, wie Supermann. Sein Oberkörper ist dabei fast viereckig vor lauter Muskeln.

 

„Sie sind ja ein Berg!“, so hatte ihn meine Mutter im Theater des Intendanten Kurt Hübner in Bremen angesprochen, wo Kresnik ab 1968 als Choreograf zusammen mit Regisseuren wie Zadek oder Fassbinder ein anderes Theater machte. „Ich komme auch aus den Bergen!“, hatte er mit kräftiger Stimme geantwortet. Er war auch der erste Kommunist, den ich kannte. Ich wusste zwar nicht, was das ist, verband aber seit Kindertagen einen Kommunisten mit Stärke, mit Grands Jetés, sogar bei uns im Garten, und immer neuen Liebesfreundinnen.

 

Einmal besuchten ihn mein Vater und ich in den Theaterferien in St. Margareten in Kärnten, wo Kresnik geboren worden war und jetzt auch beerdigt wird. Er zeigte uns den Platz vor dem Haus, wo slowenische Partisanen vor seinen Augen seinen Vater erschossen hatten. Zum ersten Mal hörte ich den Berg ganz leise sprechen, und mir fiel auf, wie klein er war, er war kein großwüchsiger Mann. Er saß still auf einer Achse eines Anhängers, er wirkte plötzlich wie ein Kind, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so etwas erlebt. Und ich verstand auch, was er eine Zeit lang in der heilen Traumwelt des Balletts gesucht hatte, auch wenn er immer behauptete, er sei Tänzer geworden, um den Frauen nahe zu sein.

 

Diese Tragik. Sein Vater war gerade zur Wehrmacht eingezogen worden, er war auch Kommunist gewesen, wie die Partisanen der slowenischen Befreiungsfront, die mit roten fünfzackigen Sternen auf ihrer Kopfbedeckung gegen die Besatzungsmächte Deutschland und Italien kämpften.

Kresnik hatte in seiner ganzen späteren Theaterarbeit mit großer Wut gegen diese grausame Kriegsszene vor dem Haus seiner Kindheit angekämpft: „Kriegsanleitung für Jedermann“, „Die Nibelungen“ „Paradies?“„Ein Stück über das Attentat auf Rudi Dutschke“, „PIGasUS“, „Familiendialoge“, später Titel wie „Macbeth“, „Ernst Jünger“, „Gründgens“. Ich sah fast alle seine Stücke und ihn dabei immer traurig auf der Achse des Anhängers vor dem Haus sitzen. Jahre später änderte sich unser Verhältnis, ich wollte jetzt selbst zum Theater und assistierte bei ihm. Ich glaube, er fand es schade, dass ich nicht mehr das Kind aus dem Garten war, sondern jetzt, etwas zu breitbeinig auf dem Stuhl sitzend, wie er empfand, Kommentare über seine Proben abgab. Vielleicht war es das, ich fand sein Theater zu kämpferisch, zu eindeutig, zu agitierend. Wir entfernten uns.

 

Zwei Wochen nach seinem Tod saß ich nun bei den Salzburger Festspielen im Publikum, wo er als Österreicher nun einmal inszenieren durfte („Peer Gynt“). Um mich herum saßen zurechtgepuderte und verschönte Menschen, wie ich es in der Übertriebenheit noch nie gesehen habe. Überall Protz, Gehabe, Geld, Geld, Geld, die Kunst wirkte nur noch wie ein Anlass für die eigentliche Show. Ich rutschte immer mehr auf meinem Sitz zusammen und bekam Sehnsucht nach jener Kärntner Kraft, nach diesem kämpferischen Mann, nach diesem Kommunisten, der im Grand Jeté durch unseren Garten bis ins Gewissen dieser Salzburgmenschen springt.”

 

Moritz Rinke

 

Der Autor

wurde 1967 in Worpswede geboren und lebt als freier Autor in Berlin. Er schreibt Theaterstücke und Romane. In seinem Bestseller „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel“ befasste er sich mit der NS-Vergangenheit Worpswedes. Johann Kresnik lernte er bereits als Kind kennen.”

 

Quelle: Weser-Kurier 04.10.2019, Seite 24

 

tanz, Oktober 2019 (Titelausschnitt) Urgestein und Solitär – Erinnerung an Hans Kresnik in der Zeitschrift tanz
Die Zeitschrift für Ballett, Tanz und Performance, widmet sich in ihrer Oktober-Ausgabe dem Abschied von Hans Krensik. Eva Elisabeth Fischer, Penelope Wehrli, Christoph Klimke und Yoshiko Waki sowie Heide-Marie Härtel erinnern sich. Hier geben wir den Beitrag von Heide-Marie Härtel wieder.
Tafi-Info Der Theaterverlag Berlin D Oktober 2019

“Die zunehmende Komplexität der Globalisierung entsprach nicht Johann Kresniks Denkschablonen. Die Katastrophen von Welt und Individuen trafen ihn fast filterlos. Seine Reaktionen darauf waren impulsiv bis schonungslos, selten analytisch. Sind das nicht herausragende Eigenschaften eines echten Künstlers?

 

Ich erinnere mich sehr gut, wie ich Studierenden der Anton Bruckner Privatuniversität Linz Videoaufzeichnungen von Kresniks “Ulrike Meinhof”, “Macbeth” und anderen Stücken zeigte. Bei vorangegangenen Vorträgen hatte ich, etwa auf Wunsch der Goethe-Instituts-Leiter in Asien,die krassesten Elemente wie das Zunge-Abschneiden im Schlussteil von “Meinhof” geschwärzt, mutete aber nun gerade diese Szenen den Studierenden zu. Sie reagierten kaum irritiert. Rose Breuss, Leiterin der Studiengangs, erklärte diese hohe Toleranzschwelle mit der österreichischen Tradition des Aktionismus ab den 1960er-Jahren, wie ihn etwa Hermann Nitsch oder Otto Mühl vertraten. Sie verschoben die Grenze dessen, was in Kunst in punkto Gewalt und Obszönität darstellbar war. Für mich öffnete sich da eine neuer Blick auf meinen früheren Chef, Johann Kresnik, den gebürtigen Kärntner.

 

Wie zerrissen muss es sich wohl anfühlen, sich im noch immer feudalen Theatersystem wie eine antiker Titan oder Satyr auszuleben, um quasi im gleichen Atemzug das hohe Lied der Frau als Opfer in Stücken wie “Ulrike Meinhof”, “Sylvia Plath” oder “Frida Kahlo” anzustimmen und glaubwürdig zu beklagen? Kresnik passte gut ins Team des Bremer Theaters, das ab den späten 1970er-Jahren mit dem Regietheater triumphierte, gleichwohl war er auch dessen Antipode. Fokussierten Kollegen wie Peter Zadek, Peter Stein, Rainer Werner Fassbinde ihren Blick auf die innere Substanz eines vorhandenen Theatertextes, so ging es Kresnik in seinem “Choreografischen Theater” mehr um seinen genuin eigenen Kommentar zu gesellschaftsrelevanten Themen, politischen Missständen und daraus folgenden individuellen Katastrophen. Wir Tänzer durften mitgestalten, wenn er Brücken baute zwischen dem Elfenbeinturm Kunst und den politischen Bewegungen, den Studentenunruhen und Woodstock.

 

Kresnik blieb Urgestein und Solitär, seine Arbeit singulär, einem abgesehen von der Arbeit der Choreografin und ehemaligen Kresnik-Tänzerin Yoshiko Waki. Heute sehe ich Kresnik als Barockmenschen, der seine fantastischen inneren Bilder auf die Bühne des 20. Jahrhunderts warf. Die Spannweite seines Interesses glich dabei der Welt des Hieronymus Bosch – vom “Weltuntergangsgericht” über den “Garten der Lüste” bis zu den “Sieben Todsünden”.

 

Wäre dieses Bild nicht tröstlich? Hans sitzt mit dem Philosophen Ernst Bloch auf einem anderen Planeten, und sie spielen, wie zu Lebzeiten, wieder eine Partie Schach miteinander. Dabei diskutieren sie, dass Kunst nicht museal sein dar. Kunst, und damit auch Theater und Tanz, sollte von Anfang an auf eine späteren Tag dat, iert werden, als verberge sich in ihr ein utopischer Überschuss, eine Idee von einer besseren Welt. Ich würde ihnen gerne lauschen, unsere aktuelle politische Lage hätte es nötiger denn je.”

 

Heide-Marie Härtel
Tänzerin bei Hans Kresnik 1971-1978 in Bremen, Gründerin und Leiterin des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen, Kulturwissenschaftlerin und Filmemacherin.

 

Veröffentlicht in tanz – Zeitschrift für Ballett, Tanz und Performance im Oktober 2019

Reinhild Hoffmann und Ferenc Barbay. Foto: Pierre Le Page Johann Kresnik ist tot. Ein persönlicher Abschied von Heide-Marie Härtel [tanznetz.de "Schwergewichte"]
"Die traurigste Nachricht für die Tanzwelt kam völlig überraschend ganz am Ende dieser gerade vergangenen Spielzeit. Hans Kresnik, mit korrektem Vornamen Johann, verstarb ganz unerwartet im Alter von 79 Jahren ... Wir werden ihn vermissen, wie strapaziös und irritierend seine provokanten Bilderschlachten auch immer gewesen sein mögen." Nina Hümpel in ihrem Editorial zu "Schwergewichte", dem aktuellen Spielzeitheft Nr. 6 von tanznetz.de
Tafi-Info München D 02.09.2019

Ein persönlicher Abschied von Heide-Marie Härtel.

 

“Hans Kresnik flüchtete aus seinem Geburtsland Österreich, als ihn das Bundesheer einziehen wollte. “Den Körper in den Kampf werfen”,- sein späteres Motto, das wollte er auf den Schlachtplätzen der aktuellen Weltgeschichte nicht. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als Bauernsohn geboren, war er früh ungewollt zum Zeitzeugen einer grausamen Kriegsmaschinerie geworden. Seinen Vater, Wehrmachtssoldat des schon angeschlossenen Hitlerreichs, erschossen Partisanen als Hans drei Jahre war.

Ob wir noch erfahren werden, warum ausgerechnet Bremen als Fluchtpunkt des jungen Tänzers galt? Im Theater war Bremen damals eher Provinz, auch im Tanzbereich. Es fehlten immer Männer im Ballett, er hätte es sich aussuchen können.

Das Zentrum der westdeutschen Tanzwelt war in den 1960er Jahren nicht Bremen, sondern Köln. Hier wollte man sich abnabeln vom Ruf des sogenannten “Deutschen Ballettwunders” in Stuttgart. Das gelang prächtig. Maurice Béjart, Martha Graham, alle Größen der internationalen modernen Szene gastierten hier und die Sommerakademie bot jedes Jahr 500 TänzerInnen die Chance, die TanzlehrerInnen der Welt kennenzulernen. Kresnik war da und blieb als Tänzer unter der Leitung von Aurel von Milloss, trainiert von Leon Woizikowsky und Peter Appel, der später auch die Kompanieleitung übernahm. In Köln hat das Naturtalent Kresnik seine eigentliche Tanzausbildung erhalten. Hier ist er mir, der Tanzstudentin der Kölner Tanzakademie, aufgefallen. Er war schnell, sprunggewaltig, risikobereit. Seine Double-Touren sollen gerüchteweise das Ergebnis einer Wette um einen Kasten Bier gewesen sein. …”

 

Den vollständigen persönlichen Abschied von Heide-Marie Härtel lesen Sie online mit einem Klick auf Spielzeitheft Nr. 6 “Schwergewichte”, tanznetz.de

Tanzmaske von Victor Magito. Foto: Susanne Fern und Deutsches Tanzarchiv Köln 1926 Was der Körper erinnert. Das Jahrhundert des Tanzes. Ausstellung | Aufführungen | Diskurse
Zur Aktualität des Tanzerbes.
Ausstellungsbeteiligung Akademie der Künste Akademie der Künste, Berlin, Hanseatenweg. D 24.8. bis 21.9.2019

 

Das Jahrhundert des Tanzes

 

Erstmals zeigen das Deutsche Tanzarchiv Köln, das Tanzarchiv Leipzig, das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen und das internationale Theaterinstitut MIME-Centrum Berlin sowie das Archiv Darstellende Kunst der Akademie der Künste einzigartige Herzstücke aus ihren Sammlungen in einer gemeinsamen Ausstellung in der Akademie der Künste.

 

Die Hexentanz-Maske von Mary Wigman, die von Valeska Gert selbst gefalteten und bearbeiteten Porträtfotografien, die Zugangskarten von Gret Palucca zu den Olympischen Spielen 1936, die Schminkanweisungen Oskar Schlemmers zum Triadischen Ballett, die Werk- und Regiebücher von Dore Hoyer und Johann Kresnik oder die Notationen zu Der Grüne Tisch von Kurt Jooss zeigen, wie der Tanz in den Archiven bewahrt und für die Zukunft als unschätzbare Quelle erhalten wird. Die Geschichte von Widerstand und Engagement wird am Beispiel der Masken von Jean Weidt erzählt, die Spur des Maskenbildners Erich Goldstaub verliert sich in Auschwitz.

 

Ausgewählte Dokumente der deutschen Tanzmoderne werden in den Kontext einer weltweiten, internationalen Tanzszene gestellt, die durch Projektionen von hundert ikonischen Fotografien und einer Vielzahl von Filmausschnitten als dynamisches Kraftfeld aus Körperbildern und Bewegungserfindungen in einen Dialog mit den originalen Objekten tritt.

 

***

 

Das Erbe der Tanzkunst ist immateriell. Dennoch schöpfen die zeitgenössischen Tänzer*innen und Choreograph*innen aus einer unglaublich reichen und kraftvollen modernen Geschichte, die mehr oder weniger das 20. Jahrhundert umfasst. Künstlerinnen wie Isadora Duncan, Mary Wigman oder Valeska Gert stehen für Emanzipation, die Befreiung aus Geschlechterrollen und Körperbildern, utopische Aufbrüche und politische Vereinnahmung, aber auch für gesellschaftlichen Widerstand. Ähnlich verhält es sich mit der Nachkriegsmoderne, mit dem Tanztheater in Deutschland, dem Butoh in Japan, dem Modern und Postmodern Dance in den USA oder dem zeitgenössischen Tanz in Frankreich und Belgien.

 

Sie alle bilden das „Jahrhundert des Tanzes“, dem die Akademie der Künste eine Ausstellung, ein Festival, einen internationalen Campus und ein Buch widmet, wohlwissend, dass wir eine Perspektive aus Deutschland und Europa einnehmen.

 

Das Gesamtprogramm bietet eine Fülle von Veranstaltungen, Diskussionsforen und Filmen.

***

 

Veranstaltungsort

Akademie der Künste
Hanseatenweg 10
10557 Berlin

 

Ausstellung „Das Jahrhundert des Tanzes“

 

Öffnungszeiten
Mo – So 15 – 22 Uhr
Di ab 15.00 Uhr Eintritt frei

Foto: Marianne Menke GEGENPOLE UND ZWISCHENWELT – steptext dance project im TANZLAND WINSEN
Gastpiel mit Einführung von Heide-Marie Härtel
Filmvortrag Kulturverein Winsen Winsen an der Luhe D 12.09.2019 um 19:30 Uhr

Seit seiner Uraufführung 2016 hat steptexts Ensemblestück ZWEI GIRAFFEN TANZEN TANGO – BREMER SCHRITTE, ein Tanzfonds Erbe Projekt, bereits vielerorts begeistert. Nun sind zwei adaptierte Varianten von Helge Letonjas Auseinandersetzung mit der Choreografie des Tanztheaterpioniers Gerhard Bohner von 1980 auswärts zu erleben.

 

Im Rahmen der Kooperation TANZLAND WINSEN hat Letonja Sequenzen aus der Produktion mit dem Ensemble zu einem neuen vielschichtigen Kosmos gefügt: Mit GEGENPOLE UND ZWISCHENWELTEN erwartet das Publikum am 12. September in der Stadthalle Winsen zeitgenössische Tanzkunst, die Alltagsgesten, Unterbewusstes und Humorvolles zu beeindruckenden bewegten Bildern verwebt.

 

Um 19:30 Uhr führt Expertin Heide-Marie Härtel, Leiterin des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen, in das Stück und seine Hintergründe ein.

 

***

 

Der Kulturverein Winsen und steptext dance project sehen in ihrer Kooperation eine Chance die zeitgenössische Tanzkunst vor Ort unterschied- lichsten Bevölkerungsschichten und Altersgruppen nahe zu bringen und darüber hinaus nachhaltige Strukturen für Tanzgastspiel, Tanzreflexion und Tanzpraxis zu schaffen. Steptext mit seinen Produktionen, die gesellschaftliche Diskurse tanzästhetisch aufgreifen sowie seinen Netzwerker- und Vermittlungs- kompetenzen, trifft dabei in Winsen auf einen engagierten Partner, der in der Stadt auf vielen Ebenen interagiert und offen ist für neue Impulse. Tanz als Kunstform, die über alle sprachlichen und altersindividuellen Unterschiede hinweg ihr Publikum anspricht steigert dabei als neues und erstmaliges Element im Kulturangebot der Stadt Winsens Attraktivität und trägt dazu bei, ihr Kulturprogramm über die Stadtgrenzen hinweg zu profilieren.

QATSI RELOADED
Eine Tanz- Theater- Musik- Performance- Kino Show des theaterSCHLACHTHOF in Kooperation mit Tanz im Lichthaus und der Schule Schaumburgerstraße
Dreharbeiten BLG Forum Bremen D 16.8.2019

Dreizehn junge Bremer*innen erforschen den Film Koyaanisqatsi aus dem Jahr 1981. Der Regisseur Godfrey Reggio zeigt was mit einer Welt passiert in der Maschinen und Technik die Macht übernehmen und wir Menschen nur noch Teil eines außer Kontrolle geratenen Organismus sind.

 

Ohne Worte und begleitet von der Musik von Philipp Glas entstand ein Werk zwischen Dystopie, Zerstörung und unendlicher Schönheit. Was passiert wenn sich junge Menschen zwischen 13 und 18 Jahren diesem Werk aussetzen? Wie hat sich die Welt seitdem entstehen der Bilder des Films verändert? Wo finden wir Orientierungen in einer außer Kontrolle geratenen Welt? KOYAANISQATSI bedeutet in der Sprache der Hopi Indianer Crazy life oder Life out of balance. Damit beschreibt der Film ein gegenwärtiges Gefühl unserer Gesellschaft.

 

Der Tänzer und Choreograf Hakan Sonakalan und die Theater- und Tanzpädagogin Valerie Usov finden zusammen mit jungen Menschen und dem Musiker Riccardo Castagnola Zugänge zu den Themen unserer Gegenwart und übersetzen sie in eine monumentale Bildsprache.

 

Eine Tanz- Theater- Musik- Performance- Kino Show im legendären BLG Forum in der Überseestadt. Finster und hoffnungsvoll.

 

Ort: BLG-Forum, Am Speicher XI 11 28217 Bremen

 

Weitere Aufführungen: 17., 18., 19.08. jeweils um 19.00 Uhr

 

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Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen freut sich, die Premiere filmisch zu dokumentieren.

Hans Kresnik als Tänzer “Kresnik war weit mehr” – Reaktion auf einen Beitrag im Weser-Kurier
Mit ihrem Leserbrief reagiert Susan Barnett, die von 1985 bis 1993 Mitglied im Ensemble von Hans Kresnik war, auf den Artikel "Ist das noch Tanz oder kann das weg?", der anlässlich des Todes Kresniks im Weser-Kurier erschienen war.
Tafi-Info Bremen 13.8.2019

“Als Intendant Kurt Hübner im Jahr 1968 Johann Kresnik nach Bremen holte, suchte er eine neue Tanzrichtung. Im Theater inszenierten Regisseure wie Fassbinder, Gruber, Zadek und Stein wegweisend. Kresniks Idee eines politischen Tanztheaters passte dazu. Er führte das Bremer Tanztheater 1968 bis 1978 und 1989 bis 1994 und blieb dem Theater als Regisseur bis 2007 verbunden.

Künstlerische Virtuosität, direkte, bildreiche, intuitive, unkonventionelle Bewegungssprache, radikales Denken und inhaltliche Kompromisslosigkeit, aufregende Arbeitsweise und Charisma faszinierten und bewegten Darsteller, Publikum und Kritiker. Er beherrschte Komisches wie Tragisches, setzte genial Fragilität gegen Gewalt. Stücke wie “Macbeth”, “Familiendialog”, “Sylvia Plath”, “Ulrike Meinhof”, “Frida Kahlo” und “Wendewut” füllten das Bremer Theater sowie internationale Häuser. Auf dem Edinburgher Festival 1989 bejubelte die Kritik “Macbeth” als stärkste Produktion und Beispiel eines neuen “physical theatre”.

Kresniks Stücke forderten die Auseinandersetzung mit Machtmissbrauch und Korruption, thematisierten die deutsche Vergangenheitsbewältigung. Provokation und Skandale erzwangen den Diskurs. Auf seinem Schaffensgipfel zog er Kritiker aus der gesamten Republik an. In einem Beitrag des WDR 3 zu “Ulrike Meinhof” hieß es 1990: “Dieser Bremer Theater-Triumph gibt sich nur mit dem Äußersten zufrieden. Er ist daher mehr als eine ruppige Ruhestörung, mehr als eine extremistische Erregung.” Mag sich Bremen beim Namen Kresnik auch daran erinnern.”

 

Susan Barnett, Bremen, Ensemblemitglied 1985 bis 1993

Veröffentlicht im Weser-Kurier am 13. August 2019

 

Der Beitrag “Ist das noch Tanz oder kann das weg?” anlässlich des Todes von Hans Kresnik erschien am 29. Juli 2019 und ist im Weser-Kurier online hier verfügbar.

Johann Kresnik | Foto: Bettina Stöß “Er hatte eine irre Energie” – Interview anlässlich des Todes von Johann Kresnik [taz Nord/Bremen]
Johann Kresnik begründete in Bremen nach 1968 modernes Tanztheater. Ende Juli starb er. Zwei Tänzerinnen sprechen über sein Erbe
Interview taz-Nord - Jan Zier Bremen 3./4.7.2019 D

 

taz: Frau Härtel und Frau Davenport, der Tänzer, Theaterregisseur und Choreograf Johann Kresnik ist am 27. Juli gestorben. Ist damit auch das kämpferische, politische Tanztheater tot – oder war es das vorher schon?

 

Heide-Marie Härtel: Er hinterlässt auf jeden Fall eine große Lücke! Ich würde mir sehr wünschen, dass jemand uns als ZuschauerInnen mit dieser Direktheit anspricht, die seine Stücke hatten. Es gibt ja Anlässe und Themen genug! Ich hätte es gut gefunden, wenn er zum Beispiel noch ein Stück gemacht hätte mit den Kids, die bei „Fridays for Future“ auf die Straße gehen. Aber außer der Choreografin Yoshiko Waki sehe ich gerade niemanden, der in seiner Art und Weise arbeitet.

 

Hat sich das überlebt?

 

Jacqueline Davenport: Auf keinen Fall. Heute versuchen das zwar manche – doch bisweilen wirkt es dann plump. Kresnik dagegen hatte die Begabung, diese starken, beeindruckenden Bilder glaubwürdig herzustellen.

 

Kresnik hat im Bremen einst das moderne Tanztheater begründet – er nannte das „choreografisches Theater“. Was ist damit gemeint?

 

Härtel: Es ging ihm weniger darum, einen neuen tänzerischen Stil zu kreieren. Der Fokus lag vielmehr darauf, alle theatralen Mittel für den Tanz zu nutzen und den Tanz als eigenständige Sparte des Theaters zu etablieren.

 

Davenport: Damals sprach man immer noch vom Ballett. Wir waren uns einig: Irgendwann muss das aufhören! Diese Spannung bei Kresnik, bei dem ich mal in Spitzenschuhen und mal in Stiefeln oder barfuß getanzt habe, fand ich enorm gut. Bei der Namensgebung haben wir als Tänzer auch mitgewirkt.

 

War das klassische Ballett in der Krise, als Kresnik 1968 in die Tanzprovinz Bremen kam?

 

Davenport: Ich glaube nicht. Hans, der ein fantastischer Tänzer war und tolle Pirouetten drehen konnte, hatte es einfach satt, immer nur Frauen hochzuheben und über die Bühne tragen.

 

Für ihn war Ballett „handlungsfreier Mist“.

 

Härtel: Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte niemand Probleme auf der Bühne sehen. Einige Vertreter des Ausdrucks­tanzes waren auch in den Faschismus eingebunden. Im Zuge der 68er-Bewegung gab es dann dieses Unwohlsein: Das kann nicht alles gewesen sein. Der Bremer Intendant Kurt Hübner hat mit dem Engagement von Zadek, Stein, Fassbinder etc. neue Wege gesucht, dem zu begegnen. Kresnik passte in dieses Konzept.

 

War es ein historischer Zufall, dass gerade hier das modernen Tanztheaters entstand?

 

Härtel: Auf keinen Fall. In Heidelberg, Köln oder Berlin könnte ich mir das in der damaligen Zeit nicht vorstellen. Zudem war Bremen wegen der „roten Uni“ reizvoll. Er hat sich das getraut – und kannte Bremen schon als Tänzer.

 

Mit 29 wurde er hier Ballettdirektor, da war das Theater Bremen etwa im Schauspiel schon voller Ikonen. Wie passte das zusammen?

 

Härtel: Es war nicht so einfach – er ist hier stark gefordert worden, etwas Spezielles zu machen. Er musste liefern. Im Gegensatz zu Pina Bausch, der Arno Wüstenhöfer mehrere Jahre Zeit gegeben hat, das Publikum zu erobern.

 

Davenport: Alle, die damals hier in Bremen am Theater waren, wollten in ihrem Bereich etwas ganz anderes machen.

 

Warum wollten Sie bei ihm tanzen?

 

Davenport: Für mich war spannend, was hier passierte. In Frankfurt, wo ich vorher war, hatte ich ohne Ende den „Nussknacker“ von Tschaikowski getanzt, Kresnik hatte ein großes Charisma. Er hat uns alle mit an unsere Grenzen genommen, schon beim Vortanzen.

 

Härtel: In Köln hatte er 1968 das Stück „Paradies“ gemacht, in dem er das Attentat auf Rudi Dutschke thematisierte. Das war für mich das Stichwort – wir gingen damals auf die Straße, fanden aber die Brücke nicht: Was können wir tun, damit sich der Tanz einmischen kann? Als ich sagte „Ich will zu Kresnik!“ sagten vor allem die eigenen Kommilitonen: „Wofür haben wir so viel klassischen Tanz gelernt?“

 

Damals hieß es „Ballett kann kämpfen!“. War das Ihr Wunsch?

 

Härtel: Meiner in jedem Fall. Aber das war nicht bei jedem so ausgeprägt. Ich ging in meinen Pausen an die Uni, zu Schulungen über Marx’ Kapital. Und nicht zu vergessen: Das war zu Beginn der 70er-Jahre. Mitbestimmungsmodelle hatten auch das Theater erreicht.

 

Er war klar marxistisch geprägt. Hat er diese Haltung auch von seinen TänzerInnen erwartet?

 

Härtel: Nein. Es gab das Gerücht, er hätte Leute nach dem Parteibuch engagiert – aber das glaube ich nicht. Seine Tänzer mussten vor allem ein gutes Handwerkszeug mitbringen.

 

Bergbauernsohn Kresnik war – anders als Sie – nie auf einer Ballettschule und sagte, er habe das nicht gebraucht. Stießen da nicht Welten aufeinander?

 

Davenport: Kresnik war als Tänzer ein Naturtalent und er hatte sehr gute Ballettlehrer. Mir hat er mal erzählt, er ging zum Ballett, weil er näher an den Frauen sein wollte.

 

Seine Stücke waren von großer Wut getragen, oft aggressiv und von Gewalt geprägt. Wie muss man sich da die Zusammenarbeit mit ihm vorstellen?

 

Härtel: Es war oft heftig und auch anspruchsvoll – er hat einem alles abverlangt, man musste viel Mut beweisen. Besonders überzeugend war, dass er die gefährlichen Sachen alle auch selbst vorgemacht hat. Er war unglaublich schnell in der Kreation, er war ein Magnet. Seine künstlerischen Bezugsfelder finden wir eher bei Kurt Jooss, dem Folkwang-Mitbegründer, bei dem sogenannten „roten Tänzer“ Jean Weidt und bei den Wiener Aktionisten wie Otto Mühl oder Hermann Nietsch, nicht in der Ballettentwicklung.

 

Hat er seine TänzerInnen nicht auch mal angeschrieen?

 

Davenport: Sein Fordern war ein Anfeuern. Es ging nicht darum, dabei unsere Grenzen zu überschreiten. Er hatte einfach eine irre Energie!

 

Wie war er privat?

 

Davenport: Er hatte ein riesiges Herz!

 

Härtel: Es hatte natürlich auch eine ganz weiche, zärtliche Seite, gerade mit seinen Kindern.

 

Wie hat das Bremer Publikum damals auf ihn reagiert?

 

Härtel: Es gab viel Buh-Rufe, und Leute, die das ganz schrecklich fanden. Wenn es ihm mal nicht genügend Buh-Rufe waren, wollte Kresnik nach der Premiere zum Applaus manchmal gar nicht noch mal auf die Bühne kommen.

 

Wie reagierten die TheaterkritikerInnen?

 

Härtel: Extrem unterschiedlich und sehr polarisierend. Eine Zeit lang waren wir stolz, wenn wir in ihren Umfragen als „das schlimmste Tanzereignis des Jahres“ geehrt wurden. Die Medienresonanz war groß.

 

Kresnik war der Auffassung: Wenn sich niemand aufregt, hat er was verkehrt gemacht. Wenn das der Maßstab ist, ist heute vieles langweilig.

 

Härtel: Danke! Das muss ich leider bestätigen. Natürlich kann man den heutigen Perfektionismus in der Tanztechnik-Entwicklung sehr genießen! Aber für mich ist es ein Problem, dass es keine Kontinuität in der inhaltlichen Arbeit gibt, wie er sie gemacht hat. Heute ist im Tanztheater vieles verblasst und orientiert sich meines Erachtens zu stark an der bildenden und der Performance-Kunst. Damit verliert der Tanz zu oft die Möglichkeit, den Körper in den Kampf zu werfen.

 

Waren Gewalt, Sex und Obszönitäten in den Stücken je ein Problem für Sie?

 

Härtel: Er hat auch akzeptiert, wenn man Nein gesagt hat. Wir haben zum Beispiel anfangs gesagt: Wir ziehen uns nicht aus auf der Bühne.

 

Davenport: Ich fühlte mich dabei nie benutzt. Es diente ja der Aussage des Stückes.

 

Heute gilt Pina Bausch vielen als Säulenheilige des modernen Tanztheaters, 1973 wurde sie Leiterin der Ballettsparte an den Wuppertaler Bühnen. Wie war das Verhältnis der beiden?

 

Davenport: Sie haben sich gegenseitig respektiert.

 

Härtel: Während Kresnik sich um Themen gekümmert hat, die in Deutschland aktuell waren, waren ihre Arbeiten unpolitischer, dafür anderswo in der Welt besser zu vermitteln.

 

Hat es für das Tanztheater in Bremen noch eine Bedeutung, an diesem Ort zu sein, an dem einst alles begann?

 

Härtel: Es könnte eine haben! Am städtischen Theater machen sie im Tanz zwar künstlerisch sicher wertvolle Dinge, aber es hat kaum noch überregionale Bedeutung für die Sparte. Auch die Kulturpolitik ist sehr zögerlich etwa bei der finanziellen Unterstützung der stark entwickelten freien Tanzszene. Man muss fast betteln, damit alle drei Jahre ein Tanz-Festival stattfindet, das es in Städten vergleichbarer Größe jedes Jahr gibt. Im Ausland wusste man früher viel besser, was hier passierte.

 

IM INTERVIEW

JAQUELINE DAVENPORT
69, erhielt ihre Ballett­ausbildung an der Royal Ballet School in London und kam 1970 als Tänzerin nach Bremen. Ihre erste Kresnik-Produktion war „Kriegsanleitung für jedermann“. 1986 wurde sie Ballettmeisterin am Theater Bremen.

 

HEIDE-MARIE HÄRTEL
69, absolvierte eine klassische Tanzausbildung in Köln – sie kam 1971 ans Theater Bremen – und ein Studium der Kulturwissenschaften. 1988 gründete sie das Deutsche Tanzfilminstitut.

 

Das Interview von Jan Zier lesen Sie in der taz NORD/Bremen “Er hatte eine irre Energie” – Tänzerinnen über Johann Kresnik

 

Foto: Marianne Menke TURBULENCE

Dreharbeiten steptext dance project Bremen / Schwankhalle D 27.6.2019 um 20.00 Uhr

“In der Physik sind Turbulenzen ein Verwirbelungsphänomen und im Gesellschaftlichen stehen sie für Aufruhr. Für Helge Letonjas jüngstes Ensemblestück ist beides Inspiration. Sinnlich vibrierend erforscht seine Choreografie die Kollisionen konträrer Strömungen, in denen sich soziale Dynamiken spiegeln. Im Privaten und Globalen, in großen oder kleinen Kosmen des Miteinanders – allerorts prallen widerstreitende Ideen aufeinander. Wie organisieren sich Gemeinschaften, wenn Gruppen mit unterschiedlichen Haltungen um Deutungshoheit ringen? Mit sieben Tänzer_innen durchleuchtet TURBULENCE die Strukturen solchen Geschehens, holt sie ins Sicht- und Spürbare. Wie wirken variierende Druckverhältnisse, Tempi, Sogkräfte auf die Beteiligten ein? Münden freigesetzte Energien in destruktives Chaos, zukunftsträchtige Mischungen, konstruktive Kompromisse oder schlicht die nächste Konfrontation?”

 

Helge Letonja TURBULENCE

Premiere (UA) am Donnerstag, 27.06.2019, um 20.00 Uhr in der Schwankhalle Bremen

 

Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen freut sich, die Uraufführung filmisch zu dokumentieren.

 

***

 

Konzept I Choreografie: Helge Letonja
Wissenschaftliche Begleitung: Prof. Dr. Albert Baars, B-I-C HSB, und Studierende
Dramaturgie: Anke Euler
Tanz: Kossi Sebastien Aholou-Wokawui, Leila Bakhtali, Oh Chang Ik, Mariko Koh, Vincenzo Minervini, Sophie Flannery Prune Vergères,  Sergey Zhukov
Musik/Komposition: Simon Goff
Kostüme: Rike Schimitschek
Lichtdesign I Technische Leitung: Timo Reichenberger
Produktionsassistenz: Florentine Emigholz, Médoune Seck
ÖA-Text: Maja Maria Liebau

Produktion: steptext dance project 
In Kooperation mit: dem B-I-C Bionik-Innovations-Centrum Hochschule Bremen / Fluiddynamik 
Gefördert von: Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Senator für Kultur Bremen 
Unterstützt von: Waldemar Koch Stiftung

 

Auszug aus dem Flyer zum Symposium "Folkwang Tanz" FOLKWANG TANZ – Video zum Symposium 2017

Veranstaltungs-Dokumentation Folkwang Universität der Künste Essen - Werden / Bremen D Juni 2019

 

Das Institut für Zeitgenössischen Tanz der Folkwang Universität der Künste lud im Oktober 2017 zum großen Symposium FOLKWANG TANZ – Technik, Haltung, Zukunft. Anlässlich des 90-jährigen Bestehens der Folkwang Universität der Künste zielte das anspruchsvolle Symposium auf eine Auseinandersetzung mit Tanzkunst, Tanztechnik und Tanztheorie.

 

Es wäre eine Sünde, über Bord zu werfen, was wir geerbt haben“, so Kurt Jooss. “Wir müssen es nicht praktizieren, aber wir sollten es in unser Wissen und in unsere Möglichkeiten einbeziehen. Dann können wir auswählen, was wir brauchen, was wir wollen.” Dieses Zitat leitet Idee und Konzeption dieses gelungenen Symposiums von Henrietta Horn und Professor Stephan Brinkmann.

 

Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen hat die gesamte Veranstaltung filmisch dokumentiert und aus dem Material gemeinsam mit Henrietta Horn und Professor Dr. Stephan Brinkmann dieses Video erstellt.

 

 

Arie Hartog. Foto K. Tiedemann Kulturjuwel Tanzhaus [Leserbrief zur Podiumsdiskussion]
Ein Leserbrief im Weser-Kurier zur Podiumsdiskussion "KULTUR PASSAGE BREMEN - Ein Tanzhaus für die Stadt".
Tafi-Info Bremen 27.5.2019

Ein Tanzhaus sei ein “Kulturjuwel” für Bremen, so sehen es die drei tanzbegeisterten Verfasserinnen eines Leserbriefes an den Weser-Kurier, in dem sie ihre Eindrücke der Podiumsdiskussion schildern und ihre Position zur Initiative für ein Tanzhaus für Bremen deutlich machen.


Kulturjuwel Tanzhaus

 

“Als tanzbegeistertes Publikum waren wir bei der Podiumsdiskussion “Kultur Passage Bremen – ein Tanzhaus für die Stadt” im Gerhard-Marcks-Haus. Auf dem Podium waren Expertinnen und Experten aus dem Bundesgebiet, die von den Erfahrungen mit den von ihnen initiierten Tanzhäusern berichteten. Diese großartige Vision auch in Bremen zu realisieren ist bei den kulturpolitischen Sprechern verschiedener Parteien leider nicht angekommen. Stattdessen favorisieren sie, trotz steigender Haushaltsmittel, weiter das Gießkannenprinzip und missachten so den großen Nachholbedarf der vielfältigen Bremer Tanzszene, die in der Vergangenheit nicht gleichberechtigt mit ihren Künsten gefördert wurde.
Dass eine über die Grenzen hinaus bekannte Tanzszene keine “sozialer Kitt” ist, sondern ein Kulturjuwel und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sein kann, machte Arie Hartog, der Museumsdirektor, in seiner Begrüßung schon deutlich. Als er 1996 in seiner Heimat Niederlande verkündete, nach Bremen zu gehen, hieß es: “Oh ja, Tanz!” Er sei sich nicht sicher, ob die Reaktion heute wieder so ausfiele.
Genau diese Entwicklung hat mit sich gebracht,. dass wir außerhalb von Bremen Tanz anschauen, zum Beispiel in Bremerhaven, Oldenburg, Osnabrück und Münster. Mit einem Tanzhaus in Bremen gäbe es die Möglichkeit, an das historische Erbe des großartigen, über die Stadt hinaus strahlenden Tanztheaters wieder anzuknüpfen. Das wünschen wir uns!”

 

Ulrike Kotthoff, Anka Ristau und Ulrike Garbade, Bremen

 

Der Leserbrief erschien am 27. Mai 2019 im Weser-Kurier.

Foto © M.Menke … das Feuer für den Tanz in Bremen schüren [Presse zur Podiumsdiskussion]
Über die Podiumsdiskussion am 13. Mai 2019 im Gerhard-Marcks-Haus berichtet Martina Burandt für tanznetz.de
Veranstaltung Deutsches Tanzfilminstitut Bremen - steptext dance project - tanzbar_bremen Gerhard-Marcks-Haus, Bremen D 13.05.2019

Über die Diskussion Kultur Passage Bremen – Ein Tanzhaus für Bremen im Gerhard-Marcks-Haus mit prominenten ExpertInnen und Bremer PolitikerInnen auf dem Podium berichtet die Tanzjournalistin Martina Burandt im online-Magazin/Forum tanznetz.de. Hier lesen Sie Auszüge aus ihrem Artikel.

 

TANZSTADT BREMEN!
Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion „RÄUME FÜR DEN TANZ“ will das Feuer für den Tanz in Bremen neu schüren

Martina Burnadt am 24.5.2019 auf tanznetz.de

 

“Die freie Tanzszene Bremen stellt unter der Initiative von Deutschem Tanzfilmsititut Bremen, steptext dance project und tanzbar_Bremen Pläne für ein Tanzzentrum vor.

 

Die freie Bremer Tanzszene träumt von einem Haus für den Tanz. Für die Hansestadt, die als Haushalt-Notlage-Bundesland gilt, mag sich das zunächst utopisch anhören. Doch können Träume wahr werden, wenn sie bedacht und mutig zugleich angegangen werden. Mit dem richtigen Konzept, engagierten ProjektleiterInnen und der passenden Unterstützung durch Politik und Wirtschaft hat sich schon manche kluge Idee zum Zugpferd für eine Stadt entwickelt. Und ist es nicht so, dass bereits die Gebrüder Grimm mit Esel, Hund, Katze und Hahn die Hansestadt für eine Hoffnungsträgerin hielten? Und ist es zudem nicht ein Fingerzeig, dass die ‚furchtlosen Vier‘ ausgerechnet in diesem Jahr ihren 200. Geburtstag feiern?

„Bremen ist eine große Tanzstadt“, stellte Heide-Marie Härtel vom Deutschen Tanzfilminstitut zum Anfang der Veranstaltung fest. „Hier ist das Tanztheater erfunden worden, nicht in Wuppertal.“ Seit Dezember 2018 entwickeln die LeiterInnen des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen (das die weltweit größte Tanzvideosammlung betreibt), steptext dance project, (ein international eingebundener Tanzproduzent und Veranstalter) und tanzbar_bremen (anerkannter Vorreiter der Inklusion im Kunstbetrieb) mit weiteren Fachleuten das Konzept „KULTUR PASSAGE BREMEN – Ein Tanzhaus für die Stadt“. Das Projekt entstand als Reaktion auf den Kulturförderbericht der Stadt in Bezug auf den Bedarf von Räumen und Ressourcen für die freie Tanzszene. Dabei soll eine Gesamtstrategie zur Verbesserung der räumlichen Infrastruktur für den Tanz, seiner Sichtbarkeit, Anerkennung und Bedeutung innerhalb der Bremer Kulturlandschaft und weit darüber hinaus verfolgt werden.

Die Zusammenarbeit und Vernetzung zielt auf den gesamten Zyklus der Tanzproduktion von Recherche, Entwicklung, Tanzforschung, Produktion, Präsentation, Vermittlung, Vertrieb, Dokumentation und Archivierung. Langfristig soll dies zu neuen Arbeitsfeldern für Tanzschaffende in Bremen führen und die
gesamte Szene stärken – von Ensembles über EinzelkünstlerInnen, ProduzentInnen, VeranstalterInnen bis hin zu TanzvermittlerInnen. Mit 3600 Quadratmetern wird der Raumbedarf von den Initiatoren beziffert, wobei gemeinschaftlich genutzte Säle, ein Foyer, Backstage-Bereiche, Gästewohnung sowie ein Archiv, ein Vermittlungszentrum, Proben- und Lagerräume eingerechnet wurden. Dabei soll der Hauptteil der Fläche aus einer barrierefreien Bühne, samt tanzspezifischer Ausstattung bestehen.

Bisherige Idee ist es, den jetzigen Standort von steptext dance project und tanzbar_bremen, die Bremer Schwankhalle, um- und auszubauen. Die Kosten dafür werden in einem ersten Entwurf auf 14-18 Millionen Euro geschätzt. Die Personalkosten eines Tanzhauses, dazu gehören Posten wie Betriebsbüro, Hausmeister, Reinigung, berechnet das Entwurfspapier auf rund 180.000 Euro pro Jahr. Der Zeitplan des Projekts ist ehrgeizig; Helge Letonja von steptext sieht das Jahr 2024 als Wunschtermin für den Einzug und den Beginn der Arbeit.

 

Um die Sache professionell voranzutreiben, stellten die AkteurInnen – Heide-Marie Härtel und Hartmut Sebel vom Tanzfilminstitut, Helge Letonja von steptext und Günther Grollitsch von tanzbar_bremen – nun ein Podium mit nationalen ExpertInnen zusammen, das sich am 13. Mai 2019 im Bremer Gerhard-Marcks-Haus traf. Ziel des hochkarätig besetzten Podiums war, das Konzept kritisch auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen und ergebnisoffen weiterzuentwickeln. In der Idee, die neben dem professionellen Tanz auch Arbeitsfelder wie Inklusion, forschende Tanzmedizin, Tanzausbildung, Tanz und Schule sowie Stadtteilarbeit beinhaltet, steckt nicht nur für Heide-Marie Härtel eine verheißungsvolle Möglichkeit, an die Bremer Tanztradition mit Namen wie Susanne Linke, Reinhild Hoffmann, Hans Kresnik und Urs Dietrich anzuknüpfen. Die Moderation der Podiumsdiskussion übernahm Michael Freundt, Geschäftsführer des Dachverband Tanz Deutschland. Es diskutierten Nele Hertling (Direktorin der Sektion Darstellende Kunst, Akademie der Künste Berlin), Ann-Cathrin Lessel (Geschäftsführung LOFFT – DAS THEATER Leipzig), Bertram Müller (Mitbegründer und langjähriger Leiter des tanzhaus nrw Düsseldorf), Dr. Elisabeth Nehring (Tanzkritikerin, Journalistin und Koordinatorin des Runden Tisches Tanz, TanzRaumBerlin) und Melanie Suchy (Tanzjournalistin, die an der Folkwang Hochschule Essen lehrt).

68 TeilnehmerInnen aus der Tanz- und Kulturszene sowie aus der Bremer Politik beteiligten sich an der Veranstaltung, der am Nachmittag unterschiedliche Fachgruppentreffen vorausgingen.

 

In der Diskussion mit der Bremer Politik, stellte die Arbeitsgruppe Tanzhaus zunächst fest, dass in Bremen für die freie Szene eine Bühne mit entsprechender Größe für den Tanz fehle. Erst eine Bühnengröße von 14 x 16 Meter entspräche dem Raumbedarf, um größere Arbeiten zu zeigen und eine Sitzplatzkapazität ab 350 Zuschauer sei Voraussetzung dafür, Tanzveranstaltungen kostendeckend und wirtschaftlich zu veranstalten. Die politischen Vertreter würdigten das Engagement der Initiativgruppe und der Tanzszene wie auch die Qualität der Veranstaltung. Auch dass tanzbar_bremen dringend barrierefreie Räume benötige und eine geeignete Bühne für größere Produktionen fehle, wurde als Defizit erkannt. Doch insgesamt tendierten die VertreterInnen von SPD, Grüne und Linke eher dazu, die Raumfrage für die Freie Szene insgesamt in den Blick zu nehmen, um interdisziplinär miteinander arbeiten zu können.

 

Bertram Müller vom tanzhaus nrw, der sich ein Tanzhaus, ähnlich wie die Initiativgruppe, als künstlerisches Powerhaus vorstellt, an dem TänzerInnen, ChoreografInnen und DozentInnen auch ihr Geld verdienen, positionierte sich deutlich gegen das „Gießkannenprinzip“ der Politik. Auch Heide-Marie Härtel schlug vor, einmal die Reihenfolge vor die Gleichbehandlung zu setzen. „Jetzt ist der Tanz mal dran!“, konstatierte sie, während Nele Hertling von der Akademie der Künste, Berlin, herausstellte, dass es dem Tanz leider „noch nicht gelungen ist, die entsprechende Anerkennung innerhalb der Künste wie auch in Gesellschaft und Politik zu bekommen, obwohl diese großartige Kunstform eine integrative und identitätsstiftende Kraft besäße. Und sie fragte weiter, ob Kulturpolitik nicht eine in die Zukunft gerichtete Aufgabe ist und ob es nicht für Bremen eine bessere kulturpolitische Aufgabe sei, den Tanz mit einem Tanzhaus zu stärken, anstatt „in der Breite erst mal Ruhe zu schaffen. [...]

 

Für Bertram Müller ist ein Tanzhaus „eine Antwort auf eine grundlegende Struktur in Deutschland.“ Anders als die subventionierten Staatstheater, seien die „Tanzhäuser fähig, internationale Koproduktionen über Städte hinweg, über Länder hinweg zu koproduzieren, und das ist der Trend in Europa.“ Abschließend bewerteten die geladenen ExpertInnen das vorgelegte Konzept der Initiativgruppe für Bremen positiv und verwiesen auf die Qualität und Dynamik der Bremer Tanzszene. Hier gäbe es gelebte Kooperationen und starke Akteure mit internationaler Vernetzung. Inwieweit sie die politischen VertreterInnen anregen konnten, über die bundesweit wirkungsvolle Kraft eines Tanzhauses nachzudenken, wird sich zeigen.
„Ich bin der Meinung, dass es Sinn macht, in die Zukunft zu denken“, sagte Tanzkritikerin Elisabeth Nehring. „Welches Profil will ich kulturell als Stadt zeigen? Gibt es eine bestimmte Exzellenz, etwas, das über Bremen hinaus strahlt? Und da hat Bremen natürlich eine Menge Vorlage für den Tanz.“
[...] ”

 

Den vollständige Artikel von Martina Burandt lesen Sie auf tanznetz.de – dazu klicken sie hier.

Grafik Helene Maus KULTUR PASSAGE BREMEN – Ein Tanzhaus für die Stadt. Podiumsdiskussion
"Räume für den Tanz"
Veranstaltung Deutsches Tanzfilminstitut Bremen / steptext dance project / tanzbar _bremen Gerhard-Marcks-Haus, Am Wall 208, Bremen D 13.05.2019 um 18.00 Uhr / Arbeitsgruppen von 15.00 bis 17.30 Uhr - Alle Angebote finden im Gerhard-Marcks-Haus statt.

Eine Initiative, gebildet von den Akteur*innen Heide-Marie Härtel, Hartmut Sebel (Deutsches Tanzfilminstitut Bremen), Helge Letonja (steptext dance project) und Günther Grollitsch (tanzbar_bremen), entwickelt seit Dezember 2018 mit weiteren Fachleuten ein Konzept als Reaktion auf den Kulturförderbericht Bremen und relevante Fragen zum Bedarf von Räumen und Ressourcen für die freie Tanzszene: KULTUR PASSAGE BREMEN – Ein Tanzhaus für die Stadt

 

Das Zusammenspiel von Tanzgeschichte und Tanzproduktion, die Verknüpfung mit den Arbeitsfeldern Inklusion, forschender Tanzmedizin, Tanz und Schule, Forschung und Wissenschaft sowie Stadtteilarbeit soll in einem Pilotprojekt gebündelt realisiert werden. Im Fokus der Initiative steht die Schaffung von neuen Räumen für die Kunst.

 

Die Leiter*innen des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen, das die weltweit größte Tanzvideosammlung betreibt, steptext dance project, international eingebundener Tanzproduzent und Veranstalter und tanzbar_bremen, bundesweit anerkannter Vorreiter der Inklusion im Kunstbetrieb haben Mitte März das Projekt „KULTUR PASSAGE BREMEN – Ein Tanzhaus für die Stadt“ der Öffentlichkeit vorgestellt.

 

Nun möchten wir das Konzept in einer Expertenrunde kritisch auf seine Tragfähigkeit überprüfen und ergebnisoffen weiterentwickeln.

 

Die Expertenrunde und geladene Gäste werden in Bezug auf das Konzept KULTUR PASSAGE BREMEN unter anderem die Themenbereiche Tanzhaus-Betrieb, Medienkompetenz, Inklusion im professionellen Tanz, Tanzausbildung, Tanzmedizin, Kooperationen von Tanz und Wissenschaft, Bauen für den Tanz und Synergien in der Kulturarbeit vertreten.

 

Die Teilnahme an der Podiumsdiskussion haben zugesagt:

• für die Moderation: Michael Freundt (Geschäftsführer des Dachverband Tanz Deutschland)
• Nele Hertling (Direktorin der Sektion Darstellende Kunst, Akademie der Künste Berlin)
• Ann-Cathrin Lessel (Geschäftsführung LOFFT – DAS THEATER Leipzig)
• Bertram Müller (Mitbegründer und langjähriger Leiter des Tanzhaus NRW Düsseldorf)

• Daria Holme (Künstlerische Leitung EinTanzHaus Mannheim)
• Melanie Suchy (Tanzjournalistin, lehrt an der Folkwang Hochschule Essen)
• Dr. Elisabeth Nehring ( (Tanzkritikerin, Journalistin und Mitkoordinatorin des Runden Tisches Tanz, TanzRaumBerlin)

 

Zum Programmablauf:
• 15.00 bis 17.30 Uhr Arbeitsgruppen rund um das Thema Tanzhaus

• 18:00 bis ca. 20:00 Uhr Öffentliche Podiumsdiskussion
o 18:00 – 18:30 Vorstellung der Expertenrunde und kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Fachgruppen (s.u.)
o 18:30 – 19:15 Expertenrunde „Räume für den Tanz“
o 19:15 – ca. 20:00 Öffnung der Runde für die anwesenden politischen Vertreter. Im Anschluss Beiträge aus dem Publikum.

 

Die Expertenrunde wird folgende Fragestellungen erörtern:

• Wo liegen heute die künstlerischen Potenziale der Tanzszene in Bremen?

• Welche Rolle spielt die Kunstsparte Tanz als gesellschaftsbildende Kraft?

• Herausforderungen und Chancen durch Digitalisierung und mediale Vermittlung für die Bewegungskunst

• Wie kann das künstlerische Potenzial der Tanzszene in Bremen weiter gestärkt und ausgebaut werden?

• Räume für den Tanz: Ist das Konzept eines mit anderen Kunstsparten räumlich verbundenen Tanzhauses dabei eine folgerichtige und tragfähige Option?

• Welche Stärkung wäre von einem Tanzhaus für die einzelnen Player und die Szene als Netzwerk in der Stadt zu erwarten?

• Welche internationalen Kooperationsmöglichkeiten und Vernetzungen ergeben sich durch ein Tanzhaus im Rahmen des European Dancehouse Network – EDN?

 

Von 15.00 bis 17.00 Uhr sind der Podiumsdiskussion Facharbeitsgruppen vorangestellt, in denen zu Themen wie „Gleichstellung der Kunstsparte Tanz“, „Kultur als sozialer Kitt, Wirkung des Tanzes in der Stadt“, „Medizin / Körper / Bewegung / Tanz“, „Inklusion im Berufsbild des Tanzenden“ miteinander gearbeitet wird.

 

Heide-Marie Härtel, Hartmut Sebel, Helge Letonja und Günther Grollitsch freuen sich auf einen anregenden Abend und laden auch herzlich zur aktiven Teilnahme an den Fachgruppen zwischen 15 und 17 Uhr ein.

 

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Dr. Nele Lipp und Heide-Marie Härtel (von links nach rechts) Laudatio auf Heide-Marie Härtel zur Ehrenmitgliedschaft bei KOÏNZI-Dance von Dr. Nele Lipp
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - des Tanzes. Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen in seinem Kontext.
Veranstaltung KOÏNZI-Dance Hamburg D 25.04.2019

 

Die Position des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen ist offensichtlich im Bereich einer über die deutschen Grenzen hinausgreifenden „Kulturgeografie“ nicht unbedingt im Bewusstsein der nationalen und internationalen Tanzszene. Um dieses Defizit zu beheben, soll hier eine Positionsbestimmung versucht werden.

 

1988 gründete Heidemarie Härtel, ehemalige Solotänzerin bei dem österreichischen Choreografen und Regisseur Johann Kresnik, zusammen mit Susanne Schlicher, die allerdings kurz danach wieder ausstieg, das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen als gemeinnützigen Verein. In diesem Institut, in dem mit wechselnden Mitarbeitern im Laufe von inzwischen mehr als dreißig Jahren das größte Tanzfilmarchiv der Welt aufgebaut wurde, geht es nicht um Tanzfilme im Sinne von Spielfilmen, sondern um Videotapes und digitale Dokumente künstlerischen Tanzes, also des Bühnentanzes. Dabei ist es das einzige Tanzfilmarchiv, das nicht nur sammelt, sondern auch selbst produziert. Härtel hat, – auch darin weitgehend solistisch, mit Entwicklung und Supervision der Aufgabenbereiche ein gigantisches Werk entfaltet, dessen Anerkennung bis 2019 noch nicht in der Verleihung des renommierten Deutschen Tanzpreises gipfeln konnte, obgleich es dessen schon lange würdig ist. Es fehlte der einfache, aber offensichtlich schwer zu denkende Gedanke, dass zumindest die Arbeit der meisten der bisherigen Träger des Tanzpreises ohne Härtels dokumentierende und archivarische Arbeit gar nicht hätten entsprechend wahrgenommen werden können.

 

Ihre Leistungen sollen hier aber nicht im Einzelnen benannt und beschrieben werden, denn jene findet jeder im Internet, sondern sie und ihr Institut sollen endlich in den Zusammenhang gestellt werden, in dem sie gesehen werden müssen, um ihren kulturellen Stellenwert einschätzen zu können.

 

Unter Auslassung einer Spur im Dunkeln, die zu sehr frühen und kaum zugänglichen Filmdokumenten über die Music-Hall-Tänzerinnen Saharet und Cléo de Mérode führt und die von der französischen Filmpionierin Alice Guy-Blanché stammen, soll zunächst fünfzig Jahre vor die Gründung des Instituts zurück geblickt und dazu ein wenig ausgeholt werden:

Der inzwischen zu Unrecht fast vergessene französisch-jüdische Publizist, Literaturkritiker, Opern- und Ballettimpresario René Blum war nicht nur ein Bruder von Leon Blum, dem ersten sozialistischen Premierminister Frankreichs, sondern ein Freund des Schriftstellers Marcel Proust, den Blum – der ein großer Beweger war – veranlasste, dem Verleger Bernard Grasset seinen ersten Band von À la recherche du temps perdu (Suche nach der Verlorenen Zeit) vorzulegen, damit er diesen endlich publiziere, was Proust auch tat – allerdings auf seine eigenen, nicht auf des Verlegers Kosten. Die Recherche ist eine Allegorie der Suche nach Wahrheit der Erinnerung – die nur als Suche, nicht als wirklich gefundene Erinnerung funktioniert – und zugleich ein Bemühen darum darstellt, die Vergangenheit im Kunstwerk zu bewahren.

 

Unter dem Aspekt des Wertes der Mühen um kulturelles Gedächtnis war Blum, nicht nur im Bezug auf das Werk Prousts, wohl auch der erste, der die ungeheure Wichtigkeit der Rolle des Films für den Tanz erkannte: Etwa Mitte der Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als er gemeinsam mit dem Tänzer und Choreografen Leonide Massine die Ballets Russes de Monte Carlo, eine der Nachfolgegruppen der Ballets Russes des Serge Diaghilev leitete, empfahl Blum Massine, Filmaufnahmen von seinen Probearbeiten zu machen, was dieser auch tat und bald darauf kooperierte er dann auch schon mit den Warner Brothers, die 1938, in einer Zeit, als diese noch Zeichentrick- und Abenteuerfilme produzierten, für eine Filmadaption seiner Choreografie Gaîté Pairisienne (Pariser Fröhlichkeit). Massine hatte anschließend mit dem Film eine längere Liäson, die 1948 in der bekannten Tanzfilm-Adaption von Hans Christian Andersens Die Roten Schuhe gipfelte.

 

Seit Mitte der Dreißiger Jahre also existiert überhaupt der Gedanke daran, filmische Dokumente künstlerischen Tanzes und seiner Entstehung im Probenprozess herzustellen. – Wo aber blieben diese? – Und wieso kam der zweite Aspekt, der des Sammelns, Ordnens, haltbar Machens und Archivierens in Deutschland erst mehr als fünfzig Jahre später hinzu? – Immerhin gab es ja schon die 1944 von dem US-amerikanischen Tänzer und Choreografen Jerome Robbins gegründete Dance Division der New York Library, jedoch nichts Vergleichbares in Europa und – selbst nicht in Paris.

 

Offensichtlich braucht es dazu Besessene und entsprechende Brutstätten. Und diese sind einfach nicht immer mit der Entstehung eines neuen Mediums oder Bereiches sofort zur Stelle.

 

Wenden wir uns aber zunächst noch der allgemeinen Filmgeschichte zu. Wie war es da mit den Archiven, und wie war es mit den Initialzündungen zu diesen?

 

Der deutsche Drehbuchautor, Dramaturg und Filmhistoriker Gerhard Lamprecht, (fast der gleiche Jahrgang wie Massine) der ab 1920 auch eigene Filme produzierte – die bekanntesten darunter waren wohl die Nachkriegsfilme Irgendwo in Berlin und Emil und die Detektive – hatte schon in seiner Schulzeit angefangen, filmgeschichtliche Dokumente zu sammeln, und das, als sie als Werkzeuge einer Wissenskultur des Erinnerns und so auch der Filmwissenschaft noch kein Desiderat waren. Im Laufe der Zeit sammelte er alles, was mit dem Film zu tun hatte, wie Fotos, Plakate, Programmhefte, Rezensionen, Drehbücher, Filme, filmarchitektonische Modelle, Kameras und Projektoren. Im Jahr 1963 erwarb glücklicherweise das Land Berlin diese Sammlung und machte eine Institution daraus. Mit Lamprecht als Gründungsdirektor konnte die DEUTSCHE KINEMATHEK jetzt ihre Arbeit aufnehmen. Seitdem wird dort alles archiviert, was mit Geschichte und Technik des Films zu tun hat. Weitere Sammlungen und Nachlässe kamen im Lauf der Zeit hinzu. Im Jahr 2000, siebenunddreißig Jahre nach ihrer Gründung, erhielt die Kinemathek zusätzlich öffentliche Ausstellungsräume und konnte ihren Arbeitsbereich durch Kooperationen und Publikationen erweitern.
Das alles gründete in dem Traum eines besessenen Schuljungen.

 

Ein kleiner Blick auf die parallelen Zeitachsen belegt die Entwicklung im Film

 

Zeitleiste FILM -Archive - TANZFILM  (Rechte Nele Lipp)

 

Um 1895 wurden die ersten Filme überhaupt gedreht (zum Beispiel von Georges Méliès – Frankreich), um 1920 setzten mit den Schriften Sergej Eisensteins und Bela Balaczs erste filmwissenschaftliche Untersuchungen ein, 1963 wurde das erste Deutsche Filmarchiv, die Deutsche Kinemathek, in Berlin gegründet.

 

Die Entwicklung im Tanzfilm
1896 drehten die Brüder Lumière kurze Filmsequenzen von Loïe Fullers Serpentinentanz, um 1905 wurden Tanzfilm-Aufnahmen von A. Guy-Blanché gemacht, um 1935 begannen systematischere Tanz-Filmdokumentationen durch L. Massine, 1985 wurde das Deutsche Tanzfilminstitut gegründet und 2013 setzten mit Claudia Rosinys Publikation Beziehungen zwischen Mediengeschichte und moderner Tanzgeschichte erste tanzfilmwissenschaftliche Untersuchungen ein.

 

Im Bereich der Sparte Tanzfilm dauerte es also nicht ganz so lange, bis sich jemand fand, der das jeweils neue Medium als sammlungs- und in diesem Zusammenhang auch wissenschaftswürdig erkannte und damit startete, derartig exzessiv zu sammeln, dass sich aus dem persönlichem Engagement nach und nach eine Institution entwickeln konnte. Lamprecht war Filmemacher, Härtel Tänzerin. Beide verbindet ein je ganz persönliches und vor allem ein unbürokratisches Engagement, sowie ein lebenslanger und existenzieller Einsatz für die Sache.

 

Es soll hier auch noch eine dritte Sammlerpersönlichkeit in Relation gesetzt werden, um der Beobachtung, dass offensichtlich nur ein besonderes, in der eigenen Biografie begründetes Engagement derartige Archive ins Leben zu rufen imstande ist, zusätzliches Gewicht zu verleihen. Es handelt sich um das Beispiel des litauisch-amerikanischen Filmregisseurs, Autors und Archivars Jonas Mekas. Aus verzweifelter Leidenschaft für das Tagebuchschreiben während seiner elfjährigen Odysse, in der er von den Nationalsozialisten interniert und anschließend als „displaced person“ durch Deutschland geschleust wurde, entwickelte er, schließlich in die USA transportiert, das so genannte „Tagebuchfilmen“. Dies machte ihn zu einem Pionier des amerikanischen Avantgardekinos und aus seiner persönlichen Sammlung der Motive endloser Tage banalen Geschehens und aus der darin verborgenen Suche nach Lebenssinn wurde – vergleichbar der Recherche von Marcel Proust – ab den frühen 1960er Jahren schuf er ein zunächst privates Filmarchiv, in dem er bald nicht nur seine, sondern tausende experimenteller Kunstfilme amerikanischer Outsider, die – jenseits des Hollywoodkinos mit ihrer gefälligen Unterhaltung – subtile Erfahrungen, Wahrnehmungen und Ideen außerhalb des kommerziellen Mainstreams dokumentieren.
1970 gründete Mekas unter anderem zusammen mit Peter Kubelka, dem experimentierenden Filmemacher und Kodirektor des österreichischen Filmmuseums, sowie dem US-amerikanischen Kurzfilmregisseur Stan Brackage in New York die Anthology Film Archives, aus denen die weltgrößte Sammlung von Avantgarde-Filmen hervorging. Bewundernswerter Weise verstand Mekas diese trotz ständiger Geldknappheit zu schützen und bis zu seinem Lebensende in diesem Jahr zu erhalten.

 

Entsprechendes – nur hier im Bereich des künstlerischen Tanzes – findet sich in Heidemarie Härtels Deutschen Tanzfilminstitut, dem jetzt, 34 Jahre nach seiner Gründung, ein der DEUTSCHEN KINEMATHEK entsprechendes neues Zuhause und eine dauerhaft stabile Förderung dringend gewünscht wird, damit ein unvergleichliches kulturelles Erbe bewahrt werden kann.

 

NELE LIPP

 

25. April 2019

 

KOÏNZI-Dance e.V.

 

Foto: Anja Beutler O Tempora O Mores. Grand Défilé des Masques
Premiere einer Filmversion im Rahmen des KOÏNZI-Kaffeehaus IV
Veranstaltung KOÏNZI-DANCE e.V. Fabrik der Künste Hamburg, Kreuzbrook 10-12 D 26.04.2019

Zur Performance “O Tempora O Mores – Grand Défilé des Masques” (2017) von Nele Lipp / KOÏNZI-DANCE e. V. sind im Deutschen Tanzfilminstitut Bremen in enger Zusammenarbeit der künstlerischen Leitung, Heide-Marie Härtel, mit Nele Lipp die zentralen Aussagen des Stücks auf filmischer Ebene kreativ weiter vorangetrieben worden. Entstanden ist eine sehenswerte Filmversion.

 

“O TEMPORA O MORES – Grand Défilé des Masques” ist Ariane Mnouchkine gewidmet. Das Stück ist eine Passage durch einige Arbeiten von Nele Lipp – immer wieder aufgeschreckt vom neuen Geist der Zeit. Die Masken und Objekte für O TEMPORA O MORES … stammen aus anderen Aufführungen von KOÏNZI-DANCE. Einige entstanden im Zusammenhang von Kooperationen mit Christiane Meyer-Rogge-Turner. Sie landeten im Depot – einer Art Orkus. Von dort und damals (O Tempora) steigen sie als Wiedergänger hervor, um angesichts der neuen Sitten (O MORES) Wirrungen offenbar zu machen.”

 

Die Filmversion “O TEMPORA O MORES” wird im Rahmen des KOÏNZI-Kaffeehaus IV anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Heide-Marie Härtel bei KOÏNZI-DANCE e. V. am 25. April 2019 um 20.00 Uhr in der Fabrik der Künste in Hamburg Kreuzbrook uraufgeführt.

Objekt/Foto: Simon Waßermann "Handle with Care" Valises et Passages. KOÏNZI-Kaffeehaus IV
Temporärer Raum für Wechselwirkungen der Künste_2019
Veranstaltung KOÏNZI-DANCE e.V. Fabrik der Künste Hamburg, Kreuzbrook 10-12 D 23. – 27. April 2019, jeweils 18 bis 22 Uhr

Gerne machen wir auf die Kulturwoche mit Ausstellung / Diskussionen / TanzPerformances / Filmen / Gesprächen am Tisch / Preisverleihung des diesjährigen KOÏNZI-Kaffeehauses, das unter dem Motto Valises et Passages steht, aufmerksam – auch weil der künstlerischen Leitung des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen in diesem Rahmen die Ehrenmitgliedschaft verliehen wird.

 

Zur Vernissage am 23. April 2019 um 18 Uhr lädt KOÏNZI-DANCE e.V. in die Fabrik der Künste. Nach einer Einführung nebst Verleihung des 5. BlauLaut-Preises für interdisziplinäre Kunst an Jasmin Schaitl mit Laudation von Dr. Nele Lipp erhält der Geist weitere Anregung durch eine Podiumsdiskussion.

 

In der Ausstellung werden Arbeiten von Anna Lena Grau (Packstücke), Nele & Lauritz Lipp (Jean Weidts Exilfahrten), Wittwulf Y Malik (5 voyages), Burkhard Scheller (o.T., o.J.), Marina Siena / Marlis Brinkmann (cum radices vidulus), Simon Waßermann (genii / loci) gezeigt. Zeitbasierte Elemente werden mit musikalischen Intermezzi von Wittwulf Y Malik angekündigt.

 

Auszug aus dem Programm

 

Donnerstag, 25. April

19.00 Maskenvignetten / Tanzperformance (25’)

Anatelier / Gilles Viandier (Tanz): Dodomonde pour „Valises et Passages“ (2019)

20.00 Tanzfilm (50’) Nele Lipp: O TEMPORA O MORES – Grand Défilé des Masques (2017, eine Produktion von KOÏNZI-DANCE e. V., Filmversion Heidi Härtel)

21.00 Kleine Feier zur Ehrenmitgliedschaft

für Heidi Härtel (Deutsches Tanzfilminstitut Bremen), die die Arbeit von KOÏNZI-DANCE e. V. seit 20 Jahren begleitet.

 

Das umfangreiche Programm finden Sie unter KOÏNZI-DANCE e.V.

Annelie Keil, Gesundheitswissenschaftlerin Was für eine wunderbare und vorwärtstreibende Idee: Kultur Passage Bremen – ein Tanzhaus für die Stadt

Tafi-Info Bremen 18.03.2019

 

“Was für eine wunderbare und vorwärtstreibende Idee: Kultur Passage Bremen – ein Tanzhaus für die Stadt”. Diese Überschrift trägt ein Schreiben an die Initiative für die Kultur Passage Bremen von Professor Doktor Annelie Keil, das hier im Wortlaut wiedergeben wird.

 

“Ein alter Freund, der Philosoph Rudolf zur Lippe, wollte mit seinem letzten Buch mit dem Titel: „ Das Denken zum Tanzen bringen“ und dabei erneut für eine neue Kunst der Aufmerksamkeit eintreten. In einer Rezension heißt es: Wandel und Bewegung sind Grundphänomene – nicht nur des menschlichen Lebens -, doch erstaunlicherweise sind sie nur selten philosophisch eingehend erörtert worden. Rudolf zur Lippes “radikale Phänomenologie” widmet sich höchst verschiedenen Bewegungsformen: Die Beobachtungen reichen von Vogelschwärmen über Wolkenbilder bis hin zu Tanz und Kampfkunst. Nicht zuletzt anhand von Figuren aus anderen Kulturen gelingt es ihm zu zeigen, wie wir einen Wandel in unserem Sehen und Erleben in Gang setzen können.

Das Projekt „ Kultur Passage Bremen“ will nicht nur das Denken, sondern vor allem die Stadt zum Tanzen bringen, will verbinden, was schon da ist und vorantreiben, was sich in Bremen auf vielerlei Weise schon in Bewegung gebracht hat, will teilen, womit man gemeinsam stärker werden kann. Wohin man schaut, haben der Tanz und das Tanzen in den letzten Jahren den „öffentlichen Raum“ erobert, haben Menschen in Bewegung versetzt, alte und behinderte Menschen wieder aufs Parkett gelockt. Sieht man sich die Angebote, Akteure und Visionen in Bremen an, so ist Bremen bereits ein virtuelles Tanzhaus, den wirklichen Ort für den Tanz und eine bewegte Kunst müssen wir schaffen. Wir müssen die Puzzelteile zu einem Ganzen fügen und diesem Ganzen nicht nur neues, sondern lebendiges Leben einhauchen, das nicht gleich im Kesseltreiben von Konkurrenz, knappen Mitteln oder „ da könnte ja jeder kommen“ untergeht ..Zum Jahr der Bremer Stadtmusikanten eine herrliche Idee: wer immer die Rollen von Esel, Hund, Katze und Hahn am Ende übernimmt, alle Beteiligten an einem Tanzhaus für Bremen gewinnen auf jeden Fall mehr als den Tod. „Darf ich bitten“ zum Tanz der Tänze.”

 

Annelie Keil

Bremen, im März 2019

 

Das Original-Schreiben von Annelie Keil ist hier zu lesen.

 

Modell mit Entwurfscharakter für einen möglichen Standort Initiative Kultur Passage Bremen – Ein Haus für den Tanz [Beitrag im Weser-Kurier]
"Eine Initiative will Tanzeinrichtungen und deren Schlagkraft bündeln. Im Gespräch ist ein Ausbau der Schwankhalle in der Neustadt zur Schaffung einer neuen (und barrierefreien) Spielfläche.
Zu Gast im TAFI Bremen 15.3.2019

Ein Beitrag von Hendrik Werner im Weser-Kurier am 15. März 2019

 

“Mit einem ambitionierten Projekt sind am Freitag Vertreter der hiesigen freien Tanzszene an die Öffentlichkeit gegangen: Bei einem Pressegespräch im Deutschen Tanzfilminstitut Bremen stellten sie Pläne für ein Tanzhaus in der Stadt vor, das unter dem Namen „Kultur Passage Bremen“ die Arbeit verschiedener Institutionen und Akteure bündeln soll. Im Gespräch für den Standort ist die Neustadt, genauer: Erweiterungsbauten für die Schwankhalle.

Mit 3600 Quadratmetern bezifferten die drei Initiatoren – Tanzfilminstitut, step dance project und tanzbar_bremen – den Raumbedarf. In Rede stehen sowohl Anbauten und Aufstockungen. Gedacht ist zum einen an einen Nutzflächenausbau gemeinschaftlich genutzter Räume, darunter Säle, Foyer, Backstagebereiche, Gästewohnung sowie Proben- und Lagerräume, von derzeit 1300 auf gut 2500 Quadratmeter.

Der Hauptzuwachs an Fläche soll sich aus einer zusätzlichen barrierefreien Bühne (samt tanzspezifischer Ausstattung), diese „umgebende Betriebsflächen“ und „vergrößerte Probebühnen“ ergeben, heißt es in einem Entwurf, den die Leiterin des Deutschen Tanzfilminstituts, Heide-Marie Härtel, steptext-dance-project-Leiter Helge Letonja und Günther Grollitsch, künstlerischer Leiter des inklusiven Kollektivs tanzbar_bremen, gemeinsam vorstellten.

Wert legten sie auf die Feststellung, dass besagte Schwankhallen-Option nur und immerhin einen „beispielhaften Standort“ betreffe, dessen Eignung erst durch eine Machbarkeitsstudie verbindlich zu ergründen sei. Die Kosten für einen etwaigen Umbau der Schwankhalle bezifferte der Städteplaner und Architekt Jürgen Koch mit 14 bis 18 Millionen Euro. Die Personalkosten eines Tanzhauses als Bestandteil einer „Kultur Passage Bremen“, darunter Posten wie Betriebsbüro, Hausmeister und Reinigung, veranschlagt das Entwurfspapier auf 180.000 Euro pro Jahr; nicht eingerechnet sind eventuelle Mietkosten.

 

“Das neue Tanztheater ist nicht in Wuppertal, sondern in Bremen erfunden worden.” Tanzfilminstitutsleiterin Heide-Marie Härtel

 

Der Zeitplan zur Realisierung des Projekts ist ehrgeizig. Als weitere Wegmarke machte Helge Letonja den Welttanztag am 29. April namhaft. An diesem Termin ist ein Podium mit einem nationalen Expertengremium geplant, um das Vorhaben mit Tanzschaffenden und Kulturpolitikern zu diskutieren. Im Anschluss an die Bürgerschaftswahl vom 26. Mai soll die Vision nach dem Willen der Initiative in ein erstes Planungsstadium münden. Ziel sei die Eröffnung des Tanzhauses zum Ende der kommenden Legislaturperiode. Letonja nannte die Jahreszahl 2024 als Wunschtermin für Einzug und Arbeitsbeginn.

 

Ein wesentlicher Impuls für die Initiative sei vom Förderbericht 2018 des Bremer Senators für Kultur ausgegangen, sagte Härtel. Die darin versammelten Aussagen zur Vernetzung von Akteuren, zur Schaffung von Synergieeffekten und zur „Bereitstellung von Produktionsstätten“ würden Mut machen, ja seien beflügelnd.

Heide-Marie Härtel sieht in dem Konzept, das auch Arbeitsfelder wie Inklusion, forschende Tanzmedizin, Tanz und Schule sowie Stadtteilarbeit beinhaltet, eine verheißungsvolle Möglichkeit, an wirkungsmächtige Bremer Tanztraditionen anzuschließen, für die Namen wie Susanne Linke, Reinhild Hoffmann, Urs Dietrich und Johann Kresnik einstünden. „Das neue Tanztheater ist nicht in Wuppertal, sondern in Bremen erfunden worden“, sagte Härtel weiter.

 
Hiesige Tanzsparte auf einem Level mit kleineren Städten
An diese Traditionslinien am Theater Bremen anzuknüpfen, sei schon im Blick auf die Anzahl der Tänzer schwierig. Mit einer Compagniestärke von acht Akteuren bewege sich die hiesige Tanzsparte auf einem Level mit kleineren Städten wie Cottbus und Halberstadt; dagegen habe das Niedersächsische Staatstheater in Hannover 29, die städtische Bühne in Nürnberg sogar 79 Tänzer.

„Der Aus- und Aufbau eines zweiten Standbeins erscheint dringend geboten“, sagte Härtel abschließend. Ziel sei eine sinnvolle Ergänzung des städtischen Theaterbetriebes hinsichtlich des Tanzsegments. Dazu zählen auch die Anbindung von Einrichtungen und Personen, die sich um Ausbildungs- und Gesundheitsaspekte kümmern. Für die entsprechenden Bereiche hat sich die Initiative der Mitwirkung der Tanzpädagogin Jacqueline Davenport und der Gesundheitswissenschaftlerin Annelie Keil versichert.

 

Die künstlerischen Möglichkeiten, die eine Ballung von interdisziplinärem Sachverstand an einem Ort haben könnten, skizzierte Helge Letonja. Es gehe darum, „Tanzproduktionen in ihrer Entstehung und Vernetzung neu zu denken“. Zur Namensgebung merkte er an, dass „Kultur Passage“ – notabene: (noch) ohne Kopplungsstrich – für jenes Prinzip der Durchlässigkeit stehe, das sich die Initiative von dem Projekt verspreche.

 

“Tanzproduktionen in Entstehung und Vernetzung neu zu denken, ist das Ziel

steptext-dance-project-Leiter Helge Letonja

 

Das gelte nicht nur für den Tanz, sondern auch für andere Bühnenspielarten wie das Schauspiel. Von der Schaffung zusätzlicher Aufführungsflächen könne nicht zuletzt auch das Theater Bremen profitieren, das ebenfalls einen Mangel an Spielstätten, an Probebühnen zumal, beklage. Weitere Andock-Pläne der Tanzinitiative betreffen die vis-à-vis gelegene Städtische Galerie. Nach punktuellen Kooperationen mit der Kunsthalle sind die Aktivisten offenbar zum stadtweiten Schulterschluss entschlossen.” Hendrik Werner

Fotos: Sebastian Wolf Schlafwandler 1999 / 2019

Dreharbeiten steptext dance project Bremen D 13.03.2019 um 20.00 Uhr

“So humorvoll vital wie besonnen fragil entführt das Tanzduett SCHLAFWANDLER 1999/2019 in die schwebenden Sphären zwischen Schlafen, Träumen und Wachen. Des alltäglichen Gerangels und Gerennes müde taucht ein Paar in seine unbewussten Welten ein – und findet sich in einem Strudel eigenwilliger Reminiszenzen wieder. Kaum Erinnertes und längst Verdrängtes münden in skurrile Ausbrüche, fliegende Federn, bebenden Unmut und kippende Balancen. 20 Jahre nachdem Helge Letonja diesen surrealen Bilderbogen für Anne Minetti und Ziv Frenkel kreierte, nehmen die beiden die Choreografie wieder auf und führen sie mit neuen Fragen fort.
Wie speichern Körper Erlebtes? Der lange Taumel zweier Menschen ums Finden und Verlieren, welche Essenzen birgt er für den Tanz? Zu Schuberts „unvollendeter“ Sinfonie in h-Moll zeichnet das Duo ein entschleunigtes Ringen um Gleichgewichte in die fließende Zeit. “

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Choreografie 2019, Tanz: Anne Minetti, Ziv Frenkel
Choreografie 1999: Helge Letonja

Musik/Collage: J.B. Lully, Henry Purcell, Israel Bright, Franz Schubert

Bühne: Jurin Wendelstein, Student der Architektur an der Hochschule Bremen

Lichtdesign, Technische Leitung: Timo Reichenberger

Produktionsassistenz: Florentine Emigholz

ÖA-Text: Maja Maria Liebau

Fotos: Sebastian Wolf

Produktion: steptext dance project

Gefördert vom Senator für Kultur Bremen

Unterstützt von: Deutsches Tanzfilminstitut Bremen, Uferstudios Berlin und Compagnie A180°

 

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Das Deutsche Tanzfilminstitut Bremen freut sich, die Premiere filmisch zu dokumentieren.